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AN DER KASSEAußen hui, innen pfui

Nur 29,99 Euro. Ich war fast ein bisschen enttäuscht

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die genervt sind, wenn es vor ihnen an der Kasse nicht schnell genug geht. Ich freue mich jedes Mal und bin neugierig, was das Problem ist. So wie neulich in der Lebensmittelabteilung im Kaufhof am Alex.

Eine schicke und geschäftig wirkende Frau Anfang 50, die vor mir war, hatte zwei Holzkisten mit Wein aus dem Korb gehievt. „Schloss Johannisberg“ stand drauf. Die Verkäuferin betrachtete alle Seiten der Kisten und fand keinen Preis. Die beiden Frauen ruckelten und zuckelten so lange an einer, bis eine Flasche zum Vorschein kam. Der Rotwein war von goldfarbenem Krepp umgeben, der Flaschenhals mit einem Stückchen Holz gesichert. Die Frauen drehten sie vorsichtig, aber auch hier fanden sie keinen Strichcode. Sie zuckelten die Kiste wieder zu und die Verkäuferin marschierte damit zur Weinabteilung.

Während der Mann hinter mir vorwurfsvoll schnaubte, betrachtete ich den zweiten Einkauf der Dame vor mir. Den hatte sie ein Stückchen hinter den Wein gelegt und mit einem dieser Plastikdinger abgetrennt. Da lagen doch tatsächlich zwei Tüten Dr. Oetker „Paradies Creme“. Außen hui, innen pfui, dachte ich. Als die Verkäuferin zurückkam, zuckelte sie zum dritten Mal an der Kiste, drehte die Flasche und zog den Scanner über das Etikett. Sie hatte den Code übersehen.

29,99 Euro zeigte die Kasse an. Ich war fast ein bisschen enttäuscht. Aber im Vergleich zu dem billigen Pulverzeugs blieb der Wein geradezu unbezahlbar. Vorsichtig und neugierig zugleich fragte ich die Frau, wie die Creme zu dem Wein passt. Sie lächelte entschuldigend. „Ich wusste vorher überhaupt nicht, dass es so etwas gibt.“ Ich war erleichtert und glaubte ihr. Doch das Internet belehrte mich eines Besseren: Eine Sektkellerei, die zur Oetker-Gruppe gehört, ist Eigentümerin der Domäne Schloss Johannisberg. BARBARA BOLLWAHN

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