Fusseln und Phasen

Die klassische Logik kannte lange Zeit nur zwei Werte: wahr oder falsch. Eine Aussage konnte stets nur eines von beidem sein, andere Optionen standen nicht zur Verfügung. Irgendwann räumten die Logiker ein, dass es vielleicht gut sein könnte, für heikle Fälle – Aussagen über die Zukunft etwa – eine weitere Möglichkeit anzubieten, so etwas wie „möglich“ oder auch „weder wahr noch falsch“. In der Fuzzylogik, der „unscharfen“ oder „fusseligen“ Logik, schließlich machte man sich daran, die Unbestimmtheiten der Umgangssprache zu formalisieren, um die Bedeutung von Aussagen wie „Es regnet ein bisschen“ oder „Sie ist ziemlich jung“ mathematisch zu erfassen. Inwiefern die Berliner Musiker Burkhard Schlothauer, Michael Rodach und Andreas Weiser in den Stücken ihres neuen Projekts Fuzzylogics auf die Fuzzy-Set-Theorie oder Fuzzyfunktionen zurückgreifen, lässt sich beim Hören nicht ohne Weiteres erkennen. Deutlich wird beim Livesampling-Ansatz aber, dass die Grenzen zwischen einzelnen Klängen immer wieder verschwimmen. Rodachs Gitarre, Schlothauers elektrische Violine und das Schlagzeug von Weiser münden ein in einen Fluss aus Loops, der sich langsam voranbewegt, mal mit mehr, mal mit weniger stark artikulierten Rhythmen, sich Zeit nimmt für die Klänge und sie ihren eigenen Groove entwickeln lässt. Man könnte das minimalistisch nennen, „reduziert“ ist jedoch treffender.

Eindeutig minimalistisch sind hingegen die Frühwerke von Steve Reich, seines Zeichens Minimalismus-Mitbegründer, die der Komponist in den späten sechziger Jahren schrieb: „Four Organs“ und „Phase Patterns“ arbeiten mit Phasenverschiebungen, ähnlich wie Reichs frühere Tape-Stücke „Come Out“ oder „It’s Gonna Rain“. Deren Phasen-Ansatz mit geloopten Stimmenaufnahmen, die anfangs synchron laufen und sich nach und nach verschieben, übertrug Reich nun auf Tasteninstrumente wie elektrische Orgeln. Die Einspielungen des Leipziger Ensemble Avantgarde um den Pianisten Steffen Schleiermacher wurden zum Teil beim SFB aufgenommen – die Interpretationen stammen aus den späten Neunzigern – und wurden jetzt vom Berliner Label Karlrecords noch einmal neu und zum ersten Mal auf Vinyl herausgebracht. Die Wiederveröffentlichung haben diese präzise-lebendigen Versionen von Reichs Schaffen kurz vor seinem großen Durchbruch allemal verdient. TIM CASPAR BOEHME

■ Fuzzylogics: „Fuzzylogics“ (Timescraper)

■ Steve Reich: „Four Organs/Phase Patterns/Pendulum Music“ (Karlrecords/Cargo)