KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Hilfe, Hormone. Am Freitag war ich bei der Eröffnung von Juliette Bonneviot „XenoEstrogens“ im Autocenter. Ein Fall von Bio-Tech-Kunst. Bonneviot hat künstliche und natürliche Vorkommnisse von Östrogen erforscht, zum Beispiel in Sesamkörnern, Medikamenten, Kobalt und Silikon, und diese Stoffe auf Leinwände übertragen. Das Ergebnis sieht so unangenehm hermetisch versiegelt aus wie blaue, abwaschbare Kindergartentischdecken aus den 80ern. Der Experimentierprozess ist hier das eigentlich Interessante, so auch die ausführlichen Inhaltsangaben. In meinem kleinen Grüppchen wurde folglich erst mal gegoogelt, was Östrogene überhaupt sind. Ach so, die „wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone“. Biologismus ist aber doof und so kamen wir darauf, dass auch meine schwulen Freunde Östrogen und überhaupt alle Menschen, alles haben. Wie wir dann von Östrogenen auf Squirten, also weibliche Ejakulation, kamen, weiß ich auch nicht mehr. Jedenfalls wurde alles noch ganz doll feministisch (bis 18. 4., Do.–Sa. 16–19 Uhr, Leipziger Str. 65).

Bei mir blieb die Frage zurück, warum es eigentlich immer Kunst und Bio sein muss. Physik geht doch auch. Bei Scotty Enterprises eröffnet zum Beispiel die Gruppenausstellung „The Antimatter Factory“. Antimaterie ist nämlich nicht mehr nur Antriebsstoff bei Raumschiff Enterprise, sondern wird inzwischen auch für Nasa-Raketen getestet. Die beteiligten Künstler_innen Christine Niehoff, Inês Rebelo und Anne Wölk trennen auch nicht zwischen Wissenschaft und Fiktion, sondern bauen Science-Fiction-inspirierte Papp-Installationen (Niehoff), mixen Emaille-Metall-Gemälde mit Astrologiezitaten (Rebello) und übersetzten Satellitenfotos in Neonfarben (Wölk) (Mi.–Fr. 15–19, Sa. 14–18 Uhr; Eröffnung: 10. 4., 19 Uhr, Oranienstr. 46).

Als Vorbereitung empfehle ich den heutigen Vortrag „High-Speed Atomic Force Microscopy and High-Speed Force Spectroscopy“ von Prof. Dr. Simon Scheuring in der Humboldt-Universität. Scheuring erforscht die Grenzen zwischen Organismen und ihrer Außenwelt, genauer gesagt Zellmembranen. Klingt verdächtig nach einem Vorläufer zum Beamen. Bei der Star-Trek-Erfindung müssen nämlich am Zielort alle Zellen wieder an der richtigen Stelle im Körper platziert werden, damit man nicht bis in alle Ewigkeit mit der Außenwelt verschmilzt und im Äther umherirrt (Campus Nord, 16 Uhr, Seminarraum 3. OG, Philippstr. 13). Auf meinem ältesten Lieblings-T-Shirt steht übrigens „Beam me up, Scotty, there’s no intelligent life down here“. Das zieh ich dann morgen an. Mal sehn, welche Diskussionen sich damit an die Nano-Physik-Kunst andocken lassen.