Bänkelsänger mit Sonnenbrille

LIEDERMACHER Die Gitarre ist immer mit dabei: Franz Joseph Machatschek bürstet Wiener Lieder gegen den Strich, er schreibt Romane, begleitet von CDs und nennt das Liederatur. In Berlin absolviert er gleich drei Auftritte

Die professionelle Vermarktung ist ihm noch fremd. Seine Termine muss er selber organisieren

VON RALF LEONHARD

Am Anfang steht immer die Machatschek-Saga. Franz Joseph Machatschek muss sich erklären: er muss erklären, wer er ist, warum er tut, was er tut, und warum er aussieht, wie er aussieht. Ohne Hut und dunkle Brille hat ihn noch niemand gesehen – fast niemand. Der Machatschek, so seine ebenso unbewiesene wie unwiderlegte Legende, entstammt einer Maurerfamilie, in der 350 Jahre alle Männer nichts anderes gemacht haben, als Häuser zu bauen. Er baut keine Häuser, denn als Maurer machte er Bankrott. Also macht er Musik. Wiener Lieder gegen den Strich gebürstet: manchmal schräg, manchmal traditionell, aber immer mit Texten voller Hintersinn.

Wie es dazu gekommen ist und warum er seine Sonnenbrille auch in schummrigen Kneipen nicht abnimmt, das erklärt der Machatschek. Und wenn jemandem auffällt, dass sein gepflegtes Wienerisch so gar nicht zu seinem proletarischen Hintergrund passt, dann hat er auch eine plausible Erläuterung parat. Sein Vater habe sich nämlich eine Volksschullehrerin geangelt. „Konnte ja keiner wissen, dass die so eine ist, wenn sie da serviert in einem gewissen Etablissement, um sich ihre Ausbildung zu finanzieren“, so heißt es im Roman „Leichenschmaus“ aus der Serie „Der Machatschek“. Mama Veronika habe den Sprössling später Hochdeutsch gelehrt. „Der Vater wollte dem Jungen natürlich die Unannehmlichkeiten später am Bau ersparen, weil da bist du mit Hochdeutsch so arm wie ein Würstel im Hundezwinger. So ist der Machatschek zweisprachig aufgewachsen.“

Die Romane – authentische Schundliteratur – beschreiben einen etwas dusseligen, aber doch heroischen Machatschek, der von Simmering bis Rio in die dümmsten Schwierigkeiten gerät und dabei noch Verbrechen aufklärt oder zumindest die Welt rettet. Aufgeschrieben werden sie von einem Autorenduo, das im Hintergrund bleiben will, versichert Machatschek mit einem Augenzwinkern. Den Büchern liegen CDs mit Liedern bei, die irgendwie mit der Handlung zu tun haben. Machatschek spricht von „Liederatur“ und man will es ihm glauben. Wie einst die Bänkelsänger oder die Geschichtenerzähler macht er Inhalt und Musik zu einem Gesamtkunstwerk.

Die Gitarre, Lebensretterin des Bankrotteurs, ist immer dabei. Und die Geschichten, im stillen Kämmerlein gelesen, mögen idiotisch wirken. Mit Pathos, Mimik und der Überzeugungskraft des Protagonisten vorgetragen, sind sie einfach unterhaltsam. Der vierte Roman sei in Arbeit. Und es sei sehr wahrscheinlich, dass Berlin darin eine Rolle spielen wird.

In Berlin hat der Liedermacher im April drei Auftritte. Deutschland gefällt ihm und er fühlt sich da verstanden: „Ich nehme wahr, dass ich mich sehr willkommen fühle – von Anfang an.“ Im vergangenen Januar war er auch im Bayerischen Rundfunk TV. Der Kabarettist Hannes Ringlstetter moderierte. In Bayern braucht er keinen Dolmetsch. Aber selbst Leute aus Thüringen versicherten ihm, sie hätten seine im Wiener Dialekt vorgetragenen Lieder „zu 95 Prozent“ verstanden.

Vielleicht liegt das daran, dass Musikschaffende aus Österreich gerade wieder besonders populär sind. Die Band Wanda tourt im Sommer wieder von Memmingen bis Potsdam und tritt im Herbst am Reeperbahn-Festival auf. In Deutschland ist sie fast bekannter als in der Heimat. Und Bilderbuch, die ehemalige Boys Band aus der Klosterschule, kommt mit ihrem sanften HipHop im Falco-Stil beiderseits der Grenze gut an. Auch Silberhaar-Charmeur Hansi Hinterseer und der Lederhosen-Rocker Andreas Gabalier erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Aber vermutlich bei einer anderen Klientel.

Machatschek ist ganz anders. Nicht nur musikalisch. Die professionelle Vermarktung ist ihm noch fremd. Seine Termine muss er selber organisieren. Nicht leicht für jemanden, der eher schüchtern daherkommt und noch nicht den großen Namen hat. Der Erfolg kommt nicht schlagartig, aber der Barde aus Simmering ist zufrieden. Sein „Adweantskalender“ (Achtung, Wortspiel: Wean = Wien) ist besonders gut angekommen. Darin besingt Machatschek die 23 Bezirke seiner Heimatstadt. Jedes Fensterchen im Kalender ist von einem Künstler oder einer Künstlerin gestaltet. „Nicht ganz jugendfrei“, warnt die Hülle. Gemeint sind wohl Verse, wie über den 15. Bezirk: „Da Pforra mochts den Nuttn noch und hebt am Stroßnrand de Kuttn hoch“. Die dazugehörige Illustration mit der stark geschminkten Frau im Nonnenhabit und den Netzstrümpfen scheint eher einem Simpson-Cartoon entnommen zu sein. Auf ein Glossar für Auftritte nördlich des Weißwurst-Äquators verzichtet der Künstler bewusst. Er fühlt sich auch verstanden, wenn nicht alle alles verstehen.

■ Machatschek in Berlin: 9. April, 20 Uhr, Erika und Hilde; 10. April, 19.30 Uhr, Buchhandlung Leseglück; 11. April, 19 Uhr, Kultur-Café