Folgenreiche Fingerfertigkeit

SICHERHEIT Weil die Zahl der Taschendiebstähle steigt, versucht die Polizei, die Menschen zu sensibilisieren. Dabei pappen Beamte in Zivil auch Aufkleber auf offene Taschen und Jacken von potenziellen Opfern

Mit geneigtem Kopf schaut die junge Frau den Ständer mit den beigen Stoffhosen durch. Ihre Handtasche trägt sie dabei über der Schulter. Da stellt sich eine andere vermeintliche Kundin neben sie, auch sie scheint sich für die Hosen zu interessieren. Mit der linken Hand hält sie ein Kleidungsstück vor ihren Körper, streckt dahinter kurz ihre rechte Hand in die Tasche der anderen und zieht vorsichtig den Geldbeutel heraus. Dann wendet sie sich wieder ab.

„Taschendiebe sind keine brutalen Gangster, sie müssen fingerfertig, einfallsreich, feinfühlig sein“, sagt Rocco Röske. Er ist Präventionsbeauftragter der Polizei im Abschnitt rund um den südlichen Tiergarten. An diesem Mittwoch will er gemeinsam mit Kollegen in den Potsdamer Platz Arkaden über die Tricks von Handtaschen- und Handyräubern aufklären. In blauem Polizeipullover steht er da und spricht mit Passanten. Um zu zeigen, wie schnell und unbemerkt so ein Diebstahl vonstatten geht, zeigt er auf einem Laptop ein Video, für das die Polizei typische Situationen nachgestellt hat.

Reisende Tätergruppen

Nicht nur am Potsdamer Platz, auch an der Siegessäule und am U-Bahnhof Hansaplatz sind an diesem Vormittag Beamte unterwegs, um die Menschen für den oft so geräuschlosen kleinkriminellen Akt zu sensibilisieren. Denn in Berlin werden immer häufiger Handys oder Geldbeutel geklaut: Die Zahl der Taschendiebstähle stieg von 20.794 in 2013 auf 32.121 im vergangenen Jahr. Das ist eine Zunahme um immerhin 55 Prozent. Die Innenverwaltung macht vor allem „reisende Tätergruppen nichtdeutscher Herkunft“ für die steigende Zahle verantwortlich. Die meisten Taschendiebe kommen allerdings unbemerkt davon: Nur 4 Prozent der angezeigten Fälle werden auch aufgeklärt.

Umso wichtiger ist die Prävention. Da das Verteilen von Infomaterial allein nicht viel bewirkt, hat sich die Polizei das sogenannte Operative Präventionsprojekt Tasche ausgedacht. Beamte in Zivil pappen dabei Aufkleber auf offene Taschen und Jacken von potenziellen Opfern und erzeugen so eine persönliche Betroffenheit. „Ein solches Delikt bedarf auch besonderer Maßnahmen der Polizei“, erklärt Rocco Röske. Er empfiehlt, Taschen auf Rolltreppen, in Geschäften oder in Fahrstühlen vor den Körper zu nehmen.

Röske gerät fast ins Schwärmen angesichts der Fertigkeiten mancher Täter. Und es stimmt ja, so ein Taschendieb muss geübt sein und darf nicht die Nerven verlieren. Beim Verlassen der Einkaufspassage legt man im Gedränge intuitiv den Arm über die Umhängetasche. ALL