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: Die letzte Vorstellung

Es ist der letzte Gottesdienst in dieser Kirche, deshalb brennen Kerzen an den Enden der Bänke und drin sitzen mehr als die üblichen sieben Besucher. Diese üblichen sieben, das sind vor allem alte Damen, die immer vorn rechts sitzen und die Kirchenlieder singen, zugleich sicher und ein bisschen kratzig.

Es sind diese sieben, an die sich der Pfarrer der anderen Gemeinde am Ende wendet, derjenigen, mit der die Kirche jetzt zwangsfusioniert. Der Pfarrer spricht mit Schwung, vermutlich dem Schwung, den die andere Gemeinde von ihm erwartet, die zum reicheren Teil Altonas gehört und selbst gut zu reden weiß. Die Leute dort tragen nicht so hausbackene Hüte wie die alten Frauen vorn rechts in der Kirchenbank.

Der schwungvolle Pfarrer sagt, dass das Leben in der Kirche ja weitergehe. Es ist nämlich dort eine neue Schule eingezogen, und wenn erst die anderen vier Klassen eingerichtet seien, sagt der Pfarrer, gäbe es hundert Kinder hier und drüben über der Straße gäbe es ja auch noch welche.

Gerade ist von diesen Kindern wenig zu sehen, aber das scheint nicht so wichtig zu sein. Der Pfarrer ist entschlossen, das Ganze positiv zu sehen und keineswegs dabei zu verweilen, dass dies auch ein Abschied ist und mit Sicherheit hätte jeder Motivationstrainer jetzt große Freude an ihm. Dann ist der Gottesdienst zu Ende und die alten Frauen stellen sich in die Schlange der Wartenden, die sich verabschieden wollen. FRIEDERIKE GRÄFF