Ganz auf der Höhe seiner Zeit

Mit einer würdigen Gala hat das ZDF am Samstagabend den 70. Geburtstag von Dieter Thomas Heck gefeiert – und den Moderator im gleichen Abwasch in den Ruhestand verabschiedet. Warum das ein herber Verlust ist, trotz allem

Angemessener hätte er nicht verabschiedet werden können, diese Show war einfach großartig. Dieter Thomas Heck, inzwischen 70 Jahre alt und durch seine Ende der 60er-Jahre gestartete ZDF-Hitparade gewissermaßen Erfinder der deutschen Popmusik, konnte am Ende eines sehr langen Samstagabends auf einem Meer vor allem selbstgeweinter Tränen in den Ruhestand schwimmen.

Dieser Mann, den unsereins so inbrünstig, also irgendwie auch liebevoll gehasst hat für sein alles auflutschendes, alle Welt umarmendes Showtum im ZDF, war offenbar ein glücklicher Mensch all seine Berufsjahre über. Darauf ein Pils!

All jene, die er mit seinen Shows prominent machte und hielt, ließen sich nochmal sehen: Die Auftritte von Bata Illic, Costa Cordalis, Michael Holm, Karel Gott, Ingrid Peters, Gunter Gabriel, Jürgen Drews, Paola und anderen bewiesen, aller möglichen ästhetischen Kritik zum Trotz, dass man in diesem gern als Schlagerei abgetanen Gewerbe gut alt werden kann. Wer meint, das eine oder andere Lifting bei diesem oder jener erkannt zu haben, den einen oder anderen Alkoholismus in den Antlitzen, unterstellt, dass sie sich all die Jahre mit ihren Hits geplagt und geschunden haben. In Wirklichkeit sind sie nur gute Prominente einer Ära der deutschen Popmusik, die nicht zufällig am Ende des Jahres 1968 begann. In ihrer Zeit waren sie Helden und Heldinnen, und ob die heutigen Stars jemals wie sie zum Oldiestatus reifen werden, ist ungewiss.

Dieter Thomas Heck aber überstrahlte sie alle. Wie immer mit einer Brille ausgerüstet, die gläsernen Segeln gleichkam, mit einer Stimme, für die Gott uns das Wort „nervendes Sonor“ geschenkt hat, war er ganz auf der Höhe seiner Zeit. In seinem dunkelblauen Anzug mit den typischen Goldknöpfen (oder haben wir uns die nur eingebildet?) war er mal wieder Animateur und Croupier in einem, ein Glücksspieler mit deutschen Befindlichkeiten, ein rasender Stimmungsmacher, ein fanatischer Gemütlichkeitsbekenner, der dankenswerterweise von Galamoderator Johannes B. Kerner nicht auf dessen Showniveau herabgedimmt wurde.

Heck, der bereits in etlichen Rollen vor der Kamera brillierte, möchte künftig als Schauspieler arbeiten. Mit ihm stirbt die kräftigste Lokomotive des deutschen Schlagers, eine Musikgattung, die heute nur noch Volksmusikdumpfbackigkeit ist und ebenso den Weg alles Irdischen gehen wird wie Schellack, Vinyl, Kassette, Marschmusik und Operette sowie andere technische wie ästhetische Hervorbringungen der populären Art.

Weil er der Letzte seiner Art ist, wird Heck auch weiterhin über allen leuchten, über seinen Moderatorenkollegen sowieso, aber auch über allen seinen Stars, die zusammen niemals so groß geworden sind wie er – Dieter Thomas Heck. Darauf ruhig noch ein Pils! JAN FEDDERSEN