15.000 Aleviten protestieren

Die Proteste gegen den Inzest-„Tatort“ gehen erst richtig los. Krimi wiederholt Motiv der Diffamierung von Aleviten. „Falsch recherchierte und schlecht erzählte Geschichte“

KÖLN dpa ■ Mehr als 15.000 Mitglieder der alevitischen Glaubensgemeinschaft aus ganz Europa haben in Köln gegen eine Folge der Krimiserie „Tatort“ demonstriert. Die Protestierenden machten ihrem Ärger mit Transparenten, Pfiffen und Buhrufen vor dem Kölner Dom Luft. „Wir demonstrieren nicht gegen die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit“, sagte der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde (AABF), Ali Toprak. „Wir möchten ein Zeichen setzen für die Unantastbarkeit der Würde des Menschen.“ In Deutschland leben etwa 800.000 Aleviten.

Die Aleviten fühlten sich durch die vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) produzierte „Tatort“-Episode „Wem Ehre gebührt“ in ihrem Selbstverständnis „tief getroffen und irritiert“, so Toprak weiter. Der nach einem Buch und unter der Regie der Kölner Filmemacherin Angelina Maccarone entstandene „Tatort“ sei eine „falsch recherchierte und schlecht erzählte Geschichte“, sagte auch Mürvet Öztürk, Vorsitzende des Bundes der Alevitischen Frauen.

In dem NDR-Film geht es um einen Inzestfall in einer alevitischen Familie. Darin wird die Schwester einer Schwangeren umgebracht, weil sie zur Aufklärung des Falls beitragen will. Die Aleviten werfen den Filmemachern vor, uralte Diffamierungen wieder aufleben zu lassen. „Die ARD muss sich bei den Aleviten entschuldigen“, forderten Demonstranten. Die Berliner Gemeinde hatte Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstattet.

NDR-Programmdirektor Volker Herres rief die Aleviten dazu auf, die Kunst- und Rundfunkfreiheit zu respektieren. Dazu gehöre auch, den Vorwurf der Volksverhetzung zurückzunehmen, forderte er. Der Krimi habe ganz eindeutig eine individuelle Tragödie gezeigt, in der das Motiv der Handlung in keiner Weise einem religiösen Milieu zugeschrieben werde.

In der Türkei gelten die Aleviten mit bis zu 20 Millionen Mitgliedern als die größte Religionsgruppe nach den Sunniten. Von diesen fühlen sich die Aleviten historisch diskriminiert und verfolgt – zum Beispiel durch den Vorwurf, sie betrieben systematisch Inzest.

Toprak hatte auch an Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geschrieben. „Wir wissen nicht mehr, wo wir hingehören, da sich unsere Erfahrungen aus der Türkei hier in Deutschland fortsetzen“, heißt es in dem Brief.