Gescheiterter Krieg

PROHIBITION Das Drogenverbot der USA zerstört die lateinamerikanischen Demokratien

Guatemala ist ein klassisches Durchgangsland des Kokains auf dem Weg in die Vereinigten Staaten – auch wenn es in den letzten Jahren vermehrt Berichte über den Anbau von Koka und Cannabis direkt im Land gab. Vor allem aber hat der Krieg der Kartelle in Mexiko längst auch auf Guatemala übergegriffen – kein Wunder, geht doch etwa der Gründungskern des mexikanischen Zeta-Kartells auf ehemalige guatemaltekische Elitesoldaten zurück, die „Kaibiles“, die für den Völkermord an der indigenen Bevölkerung Anfang der achtziger Jahre hauptsächlich verantwortlich sind. Dass der designierte Präsident und Exmilitär Otto Perez Molina nun ausgerechnet dem schlechten Beispiel Mexikos folgen und gerade die Kaibiles gegen die Kartelle einsetzen will, lässt Schlimmes erwarten. Derzeit ist Guatemala aufgrund seiner ohnehin schwachen rechtsstaatlichen Strukturen in Verbindung mit Korruption und einer unfähigen Justiz den umfassenden Angriffen der finanziell bestens ausgestatteten Drogenhändler hilflos ausgesetzt. Diese sind zudem eine Allianz mit den alten Machtgruppen eingegangen, die schon seit dem gewaltsamen Sturz der Regierung Jacobo Arbenz 1954 jede Entwicklung zu einer sozial gerechteren Politik zu verhindern wissen.

VON BERND PICKERT
(TEXTE) UND JULIANE PIEPER (ILLUSTRATION)

Wohl nirgends auf der Welt ist das Scheitern einer auf Prohibition basierenden Drogenpolitik so augenfällig wie in Lateinamerika. Nicht die Drogen an sich zerstören südlich der USA eine Gesellschaft nach der anderen, zerstörerisch ist vielmehr das Geschäft mit den kriminalisierten Substanzen.

Das Geschäft mit der Droge ist unregulierter Kapitalismus in seiner aggressivsten Form. Es beginnt mit der Ausbeutung der Produzenten und der Ressourcen, denn für Koka- und Marihuanaanbau gibt es keine Umwelt- und Sozialauflagen. Beim Weiterverkauf winken extrem hohe Gewinnspannen. Zudem wird die Ware mit anderen Substanzen gestreckt – der Endverbraucher weiß letztlich nicht genau, was er da eigentlich kauft. Und wer sich in den Weg stellt, wird entweder gekauft oder lebt nicht mehr lange. Welcher Staat, welche Gesellschaft soll das aushalten?

In El Salvador vermischt sich die gewalttätige Struktur der einst als Jugendbanden entstandenen „Maras“ mit der organisierten Struktur des Drogenschmuggels auf dem Weg in die USA. Der Drogenhandel steht dabei nicht immer im Vordergrund, er bringt aber die meisten Einnahmen. Bei den zahlreichen Morden – die Todesraten übersteigen seit Jahren die aus den Zeiten des Bürgerkrieges – ist oft nicht auszumachen, was genau im Einzelnen die Hintergründe waren. Aber auch El Salvador, als kleines Land mit schwach ausgebildeten rechtsstaatlichen Strukturen und einer noch nicht lange vergangenen Geschichte eines bewaffneten Konflikts, ist extrem verwundbar durch die Macht des Drogengeschäfts. Bei den jüngsten Kabinettsumbildungen machte der eigentlich als Kandidat der ehemaligen Guerilla gewählte Präsident Mauricio Funes ausgerechnet einen Exmilitär zum Innenminister – was eigentlich nach den Friedensverträgen ausgeschlossen war. Das gilt als Anzeichen dafür, dass auch in El Salvador Demokratie und Rechtsstaat auf der Strecke bleiben.

Mexiko steht, gut fünf Jahre nach dem Beginn des militarisierten Antidrogenkampfes, am Rande des Abgrunds. Über 40.000 Menschen sind gestorben, die Gewalt hat unvorstellbar brutale Formen angenommen. Aber das ist nur die sichtbarste Art der Einflussnahme in Lateinamerika. Wer weiß denn schon, welcher Richter deshalb nicht aktiv wird, weil er sich von den Drogenhändlern bezahlen lässt; welcher Polizist wegsieht oder gar selbst mordet, weil er geschmiert ist? Parlamente sind unterwandert, in allen Parteien gibt es Politiker, die im Verdacht stehen, mit den Drogenkartellen zusammenzuarbeiten. Journalisten, die darüber recherchieren, sind dem Tod geweiht.

Falls der Drogenhandel je etwas Abenteuerlich-Romantisches hatte, dann ist das Vergangenheit. Der Drogenhandel bildet ein brutales Oligopol, dass die Demokratie unterhöhlt, die Gesellschaften lahmlegt und zum Schweigen verdammen will. In immer mehr Staaten bilden die Drogenhändler, oft in Allianz mit den alten Agraroligarchien, geheime Machtkartelle, gegen die der demokratisch legitimierte Staat nicht ankommt.

Der Krieg gegen die Drogen, so wie er derzeit geführt wird, ist nicht mehr zu gewinnen. Bislang hat sich in den Verbraucherländern das Bestreben durchgesetzt, den Endkunden durch Verbote vom Drogenkonsum abzuhalten – ohne Erfolg in den Konsumentenländern, dafür aber mit dem Versprechen höchst lukrativer Profite, die ein kriminalisierter Markt bietet. Zwar gab es schon immer Stimmen, die die Legalisierung und Kontrolle des Drogenanbaus und -handels fordern, doch jetzt werden sie immer lauter. Mexikos konservativer Expräsident Vicente Fox forderte kürzlich in einem BBC-Interview die Legalisierung aller Drogen in den USA. Kolumbiens konservativer Präsident Juan Manuel Santos sagte im Interview mit dem britischen Guardian, man müsse die Drogenmärkte austrocknen, und wenn Legalisierung das einzige Instrument dafür sei, dann sei er nicht dagegen. Auch Brasiliens Expräsident Fernando Henrique Cardoso fordert die Drogenfreigabe.

Seit den Zeiten der großen Kartelle – der mächtige, brutale und reiche Drogenhändler Pablo „El Patrón“ Escobar steht noch immer als herausragender Name in der kolumbianischen Kokaingeschichte – hat sich die Struktur des Drogenanbaus und -handels in Kolumbien verändert und diversifiziert. Die Drogenhändler haben heute Allianzen mit nahezu allen Machtgruppen im Lande. In einigen Regionen überwacht die linke Farc-Guerilla die Produktion, während die rechten Paramilitärs den Handel organisieren und das Militär für die Sicherheit sorgt. Kokaanbau und Kokainherstellung sind in Kolumbien eine weitere Facette eines wilden Kapitalismus, der mit großflächigem Bananen- oder Ölpalmenanbau, mit immer neuen Bergbauprojekten und extensiver Viehzucht ständig auf maximale Ressourcenausbeutung drängt und dabei in der Regel die legitimen Interessen der einheimischen Bevölkerung gewaltsam unterdrückt. Die Milliardeninvestitionen aus den USA in ein Antidrogenprogramm, den sogenannten Plan Colombia, haben zwar die Militarisierung des Landes weiter befördert, zur tatsächlichen Drogenbekämpfung allerdings wenig beigetragen, auch wenn die Produktion zuletzt leicht zurückgegangen ist.

Diese Forderung findet sogar in den USA Widerhall. Das konservativ-libertäre Cato Institute veranstaltete Mitte November eine Konferenz unter dem Titel „Ending the War on Drugs“ – zentrale Stoßrichtung: Legalisierung.

Nur konkret umsetzen lässt sich das noch nicht. Zwar sind in Kalifornien Cannabisprodukte schon jetzt de facto legal, aber das reicht längst nicht aus, um den lukrativen illegalen Markt auszutrocknen. Eine kontrollierte Freigabe aller Drogen ist der einzige Ausweg. Sicher, er bringt neue Probleme. Aber die sind leichter zu regulieren als das, was jetzt entstanden ist.