Gleichstellung von Immigrantinnen

■ Eigenes Aufenthalts– und Asylrecht bei Verfolgung aufgrund des Geschlechts im Europaparlament gefordert

„Wenn es Ihnen ernst ist, mit der Diskriminierung von Frauen Schluß zu machen, dann sollten wir jetzt bei denjenigen beginnen, die in den Mitgliedsstaaten die wenigsten Rechte genießen. Dann sollten wir die Beschränkungen beseitigen, die verantwortlich sind für die rechtlose Situation unserer ausländischen Mitbürgerinnen.“ Die Abgeordnete der grünalternativen Regenbogenfraktion, Brigitte Heinrich, beschwor die kaum mehr als 50 Anwesenden vorwiegend weiblichen Abgeordneten - von insgesamt 518 -, die in der vergangenen Woche im Europa–Parlament in Straßburg anwesend waren, ihrer vorgelegten Entschließung zuzustimmen. Damit soll die folgenschwere „Diskriminierung von immigrierten Frauen in Gesetzen und Rechtsvorschriften“ in Ländern der EG beendet werden. Die zentrale Forderung der Entschließung: Immigrantinnen sollen, auch wenn sie als Ehefrauen nachgezogen sind, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen; nichtverheiratete Paare sollen verheirateten in diesem Zusammenhang gleichgestellt werden, und Frauen, die in ihrem Heimatland aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden, wie etwa im Iran, müssen Asylrecht erhalten. Beinahe die Hälfte der Immigranten in der EG sind Frauen, der größte Teil von ihnen eingewandert im Rahmen von Familienzusammenführungen, als Ehefrauen oder Töchter. Brigitte Heinrich wies nach, daß ihnen aus „konjunkturellen und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen“ lediglich „abgeleitete“ Rechte zugestanden werden, die zudem begrenzt und widerrufbar sind. Eine Situation, die nicht nur gesetzlichen Gleichheitsgrundsätzen in den einzelnen Ländern widerspricht, sondern die Frauen extremer als in ihren Heimatländern von den Männern abhängig hält. So können zum Beispiel in Frankreich mit einem Tourismus– Visum nachgereiste Ehefrauen seit kurzem nicht mehr, wie bisher üblich, ihren Aufenthalt nachträg lich legalisieren. Die Folge: Die Frauen leben mit ihren Kindern in illegalem Status, ohne jede soziale Absicherung, abhängig allein vom Ehemann. Geht die Ehe schief, haben die Frauen, nicht anders als in der Bundesrepublik oder England, kein Recht, im Land zu bleiben. Da alleinstehende oder geschiedene Frauen in ihren Heimatländern, wie Marokko oder der Türkei, keine eigenständigen Existenzmöglichkeiten haben, können sie sich der Willkür der Männer kaum entziehen. Beispiele aus der BRD zeigen, daß Frauen selbst bei einer Flucht in Frauenhäuser vor den Mißhandlungen der Ehemänner von Abschiebung bedroht wurden, wenn sie nicht schon jahrelang in der BRD gelebt und sich so einen eigenständigen Aufenthaltsanspruch erworben haben. Ehemänner betreiben teilweise von sich aus die Ausweisung der getrennt lebenden Ehefrau, um auf diese Weise lästigen Unterhaltszahlungen zu entgehen. Doch auch Frauen mit einem eigenständigen Arbeits– und Aufenthaltsrecht werden häufig besonders diskriminiert. So werden sie nicht als Haushaltsvorstand akzeptiert, der den Aufenthaltsort der Familie bestimmen kann: Dort werden Immigrantinnen, selbst wenn sie die Bürgerrechte des Commonwealth besitzen, kaum überwindliche Hindernisse in den Weg gelegt, einen im Heimatland geheirateten Mann nachziehen zu lassen. Ähnlich wie in der BRD auch deutschen Frauen wird in solchen Fällen unterstellt, es handele sich um eine „Scheinehe“, geschlossen, damit der Mann im EWG–Land Arbeit suchen kann. Umgekehrt werden Männer, die ihre Frauen nachkommen lassen, nicht mit solchen Unterstellungen diskriminiert. Eine britische Konservative wandte sich gegen die Forderungen, weil sie „keine vernünftige Einwanderungspolitik“ bedeuteten, rechtsextreme Politiker bezeichneten die Forderungen als „Dekadenz“ und „Angriffe““ auf die „kulturelle Identität“ der EG– Länder. Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen der Sozialisten, Kommunisten und der Regenbogenfraktion und bei Enthaltung der Christdemokraten angenommen. Auch wenn das EP bekanntlich nur beratende und empfehlende, aber keine Entscheidungskompetenz hat und es nicht zu erwarten ist, daß im Entscheidungsgremium, dem Ministerrat, die Forderungen übernommen werden, ist für die grünalternative Frauenreferentin Margret Krannich die Abstimmung ein Erfolg. Sie kann jetzt den Immigrantinnen in den verschiedenen Ländern Material an die Hand geben, mit dem sie argumentieren können. Kaum umstritten waren die anderen drei Frauenthemen auf der Tagesordnung des EP, zu Frauen im Sport, Darstellung der Frau in den Medien und zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen. Allerdings brachten sie auch keine wesentlich neuen Einschätzungen. Gitti Hentschel