Rüstungsgigant Daimler

Die beiden Namen MBB und Dornier stehen in der Bundesrepublik als Synonym für die Luft– und Raumfahrtindustrie. MBB und Dornier, das heißt Flugzeugbau, Satellitentechnik, Rüstungsproduktion, aber auch Hochtechnologie. Die Bayern von MBB machen mit rund 35.000 Beschäftigten 5,7 Milliarden Mark Umsatz, die Schwaben mit 9.500 Mitarbeitern etwa 2,1 Millarden. Beide operierten bisher nebeneinander. MBB ist mit 52 Prozent mehrheitlich im Besitz der Bundesländer Bayern, Hamburg und Bremen, vor allem aber unter der starken Hand des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Die Schwaben waren ein klassisches Familienunternehmen, bis es im Dornier– Clan zum Erbenstreit kam und 65,5 Prozent der Anteile am Unternehmen 1985 an Daimler verkauft wurden. Die seit 1968 aus den vier Gesellschaften Bölkow, Messerschmitt, Hamburger Flugzeugbau und Vereinigte Flugtechnische Werke (VFW) zusammengebaute MBB–Gruppe gilt zwar nicht als besonders rentabel, in jedem Fall aber als die deutsche Technologieschmiede und Rüstungsfabrik schlechthin. Dornier hielt sich daneben wacker und konnte etwa auf dem Gebiet der Forschungssatelliten einen technischen Vorsprung erreichen. Das Nebeneinander soll nun ein Ende haben, denn nicht nur Staatssekretär Riedl glaubt, daß es „eine Menge Doppellungen zwischen Dornier und MBB gibt“. Es gibt sogar schon Modelle für die Zusammenarbeit der beiden Rivalen, die bisher immer argwöhnisch darauf achteten, daß nicht einer vom Staat bei Aufträgen zum Bau von Kampfflugzeugen oder Satelliten bevorzugt wurde. Daimler - so einer der Pläne - soll im ersten Schritt insgesamt ein Viertel des MBB–Grundkapitals von den Hansestädten Bremen und Hamburg übernehmen. Danach würde dann Dornier als Sachanlage in MBB eingebracht, um dem Daimler–Konzern zur Kapitalmehrheit bei dem Münchner Unternehmen zu verhelfen. Die Gespräche über die Bewertung von MBB und Dornier laufen auf vollen Touren. Die Frage ist nur, wie schnell sich Daimler zum Einstieg bei MBB entschließen kann, wie stark die Kritiker sind. Selbst Baden–Württembergs Ministerpräsident Lothar Späth hat seine Befürchtungen, wenn er an den neuen Großverbund denkt, der trotz aller internationaler Konkurrenz seine Existenz im Zweifelsfall ganz mit nationalen Mitteln sichern wird. „Ich halte es für gefährlich, wenn wir nur noch einen Luftfahrtkonzern haben, und der aus dem Mix von Militärischem und Zivilem gewissermaßen zum Dauersubventionsnehmer der Bundesrepublik wird.“ Wie sicher sich die heimische Rüstungsindustrie beim deutschen Staat fühlen kann, zeigte erst vor zwei Jahren der Panzerbauer Krauss–Maffei. Als der Eigentümer Friedrich Karl Flick 1984 mitteilte, er wolle den ziemlich heruntergewirtschafteten Hersteller des Panzers Leopard verkaufen - möglicherweise ins Ausland - da griff auf Bitten von Verteidigungsminister Manfred Wörner der Freistaat Bayern sofort ein und beteiligte sich selbst maßgeblich an der Firma. Schon damals signalisierte das Bundeskartellamt im Vorfeld, daß eine solche Verbindung verboten werden müsse, weil „eine marktbeherrschende Stellung“ im Rüstungsgeschäft hätte entstehen können. Daher gibt es viele, die in dem nun angestrebten deutschen Luftfahrtkonzern Gefahr wittern, weil damit in der Republik ein neuer Machtfaktor entsteht. Denn der Daimler–Konzern, der mit der AEG–Übernahme 1985 schon die größte Fusion in der bundesdeutschen Geschichte abwickelte, hätte mit MBB insgesamt 370.000 Mitarbeiter - 300.000 davon im Inland - er wäre der größte private Arbeitgeber der Republik. Der Umsatz würde die Größenordnung von 70 Milliarden Mark überschreiten. Vor allem ist Daimler mit der AEG, dem Triebwerksbauer MTU und Dornier schon jetzt der größte deutsche Rüstungslieferant. Karl–Heinz Büschemann aus: Die Zeit, 16.10.1987