P O R T R A I T Ein Denker in höheren Sphären

■ Der neue UNESCO–Generalsekretär heißt Mayor Zaragoza und nicht MBow / Mayor will die bürokratische UN–Organisation zu einer Denkfabrik für neue Projekte entwickeln

Vor einer Woche noch hätten UNESCO–Mitarbeiter bei dem Namen Mayor Zaragoza wohl kaum auf ihren zukünftigen Generaldirektor getippt. Der spanische Biochemiker und Europaparlamentarier war nicht gerade der bestplazierte unter elf offiziellen und rund 30 inoffiziellen Anwärtern auf das höchste, mit 158.000 US–Dollar Jahresgehalt dotierte UNESCO–Amt: Im ersten Wahlgang hatte er nur sechs von 50 Stimmen des Exekutivrates auf sich vereint. Daß der 53jährige Mayor - im Aufwind zunehmender Nord–Süd–Turbulenzen - am Sonntag morgen dann doch noch den Spitzenkandidaten MBow aus dem Sattel hob, paßt durchaus zu seinem beruflichen Aufsteiger–Image. Der aus Barcelona stammende hochkarätige Wissenschaftler wurde bereits mit 34 Jahren zum Rektor der Universität Granada gewählt. 1974 - noch zu Francos Zeiten - bezog er als Professor für Molekularbiologie und Intimus des Königs Juan Carlos einen Schreibtisch im Erziehungsministerium. Über mehrere Wissenschaftskommissionen gelang Mayor der Sprung in die Regierung Calvo Sotelo (UCD), wo er ein Jahr lang Minister für Erziehung und Wissenschaft blieb. Dieser Umstand hat seine Aufstellung durch die heute regierenden Sozialisten erheblich verzögert. Ohne die Petition von hundert international anerkannten Wissenschaftlern wäre aus seiner Kandidatur wahrscheinlich nichts geworden. Der Spezialist für zerebralen Metabolismus sieht sich nicht als Kandidat des westlichen Lagers, sondern einem internationalen Braintrust zugehörig, der zum Wohle der Menschheit denkt. Um die UNESCO von ihrem bürokratischen Wasserkopf zu befreien, will er sie zu einer Art geistigem Leasing–Unternehmen umstrukturieren, das Projekte ausarbeitet, ohne sie selbst verwalten zu müssen. Zur Vermeidung zukünftiger Umweltkatastrophen sucht Mayor die Mitarbeit aller Regierungen und regierungsunabhängigen Organisationen. Die 1984 bzw. 1985 aus der UNESCO ausgetretenen USA, Großbritannien und Singapur möchte er zur Rückkehr in die internationale Denkerfamilie bewegen. Weil Mayor nicht gegen den amtierenden Generaldirektor MBow antreten wollte, dem er bis 1984 als Berater gedient hat, versicherte er sich mehrmals dessen Nichtkandidatur. MBow ließ sich erst im letzten Augenblick für eine dritte Amtszeit aufstellen, um eine Einheitsfront seiner Gegner zu verhindern. Diese bildete sich dann doch, und zwar um Federico Mayor Zaragoza. Michael Thoss