P O R T R A I T Preis für Mainstream

■ Mit Robert M. Solow wurde erneut ein Marktapologet mit dem Wirtschafts–Nobelpreis geehrt / Schönwetterökonom

Mit der Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an den amerikanischen Ökonomen Robert M. Solow hat das Komitee abermals seine Ignoranz gegenüber kritischen Strömungen bewiesen. Just zum Zeitpunkt einer dramatischen Börsenbaisse, die im Ausmaß an den die Weltwirtschaftskrise einleitenden Börsenkrach von 1929 erinnert, wird ein Exponent der neoklassischen Gleichgewichtsökonomie geehrt. Wieder einmal kann Cambridgd/USA gegen Cambridge/UK triumphieren. Was zeichnet den Ökonomen R.M. Solow aus, daß die Verleihung des Nobelpreises rechtfertigen könnte? Die Hauptperiode seines Schaffens lag in den fünfziger und sechziger Jahren, in denen er die Bedingungen von Stabilitätsmechanismen eines gleichgewichtigen Wachstums bei Vollbeschäftigung zu entwickeln versuchte. Eine besondere „Leistung“ ist dabei die von ihm vorgenommene Einführung des technischen Fortschritts als eine Restgröße in die neoklassische Produktionsfunktion - ein Kunstgriff, nach welchem technische Innovationen als eine Art deus ex machina erscheinen. Es gilt inzwischen auch in der etablierten Wissenschaft als allgemein anerkannt, daß sein neoklassisches Wachstumsmodell in seinem logischen Kern tautologisch ist, also keinerlei realen Erklärungswert besitzt. Riese spricht vom „Ende einer Wachstumstheorie“. Es ist unschwer zu erkennen, daß die von Solow mit erheblichem mathematischen Aufwand entwickelten Modelle eines „wirtschaftlichen Wachstums im Golden Zeitalter“ (Robinson) die Bedingungen der Schönwetterperiode des Nachkriegskapitalismus widerspiegeln. In den Zeiten ökonomischer Krisen nun erfahren marktorthodoxe Theorien, gestützt auf die disziplinierenden Wirkungen des Marktes, nicht zufällig eine Renaissance: Um nämlich die ideologische Rechtfertigung für eine auf die Freisetzung der Marktkräfte, die Reprivatisierung des Beschäftigungsrisikos etc. zielende Politik zu liefern. Das Nobelpreiskomitee war sich offenbar nicht zu schade, sich diesem politischen und theoretischen Mainstream kritiklos anzupassen. Michael Strange