Nur AL–West beim Staatsakt Ost

■ Nur die Alternative Liste vertritt West–Berlin, wenn morgen im Osten ein Staatsakt die 750–Jahr–Feier beendet / Westmächte und Bundesregierung verzichten, weil sie den Berlin–Status verletzt sehen

Aus Berlin Mechthild Küpper

Morgen nachmittag, wenn im Palast der Republik der Staatsakt der DDR zur 750–Jahr–Feier Berlins beginnt, werden Gabriele Vonnekold und Wolfgang Wieland dort die einzigen Vertreter West–Berlins sein. Die Alternative Liste (AL) lehnte die Einladung aus Ost– Berlin nicht nur nicht ab, sondern mußte um eine bitten. Weil zwischen Einladung und Festlichkeit die Rotation lag, mußte die DDR die Tickets auf die neuen Abgeordneten umwidmen. Die Reise nach Ost–Berlin ist nicht ohne hintergründigen Witz. Die AL ist die Partei, die über die Deutschlandpolitik so zerrissen ist wie keine zweite. Seit Jahren stehen sich zwei Gruppen fast unversöhnlich gegenüber: die, die mit der DDR „normale Verhältnisse“ herstellen wollen, und die, die eher mit der DDR über Bürgerrechte, Ökologie und Frieden reden wollen, bevor man sich aufs Gutnachbarliche verlegt. Das Ost–Berliner Eröffnungskonzert zum Stadtgeburtstag am 1. Januar besuchten die Vertreter der Westmächte und der Ständige Vertreter der Bundesrepublik, Hans Otto Bräutigam. An dem morgigen Staatsakt werden sie nicht teilnehmen, weil nach westlicher Auffassung Ost–Berlin weder Bestandteil der DDR, noch gar deren „Hauptstadt“ sein kann. Wenn Eberhard Diepgen (CDU) gefahren wäre, hätte er damit zwar auch eine gezielte Regelverletzung gegen das Status–Verständnis des Westens unternommen, doch hatte er sich davon versprochen, daß Bewegung in die Starre der deutsch–deutschen Zustände kommen könnte. Dazu kam es nicht - unter anderem wegen massiver Kritik aus den eigenen Reihen und Mißmut bei den Westalliierten. Als am 6. Mai bekannt wurde, daß „zur Zeit“ eine Visite des Regierenden Bürgermeisters in der Hauptstadt der DDR „nicht vorstellbar“ sei, fühlten sich auch die geladenen FDP–Vertreter und der Oppositionsführer Momper (SPD) brüskiert und sagten ab. Die kalte Ausladung aus dem Osten beendete eine monatelange Debatte um die Chancen und Gefahren von Ost–West–Besuchen zum Stadtjubiläum. Inzwischen ist das alles längst überholt. Erich Honecker war in Bonn. Hans Büchler, der deutschlandpolitische Sprecher der SPD im Bundestag kritisierte gestern in der Neuen Osnabrücker Zeitung „die Verweigerungshaltung“ von Westalliierten und Bundesregierung. „Wir sind ordentlich eingeladen worden, warum sollten wir nicht fahren?“, sagte Gabriele Vonnekold. Die AL sehe nicht ein, warum sie eine Veranstaltung boykottieren solle, nur weil „Diepgen ausgebootet“ wurde. Wenn die Ost–West–Besuche zum 750. Geburtstag Berlins ernst gemeint gewesen wären, hätte man die West–Berliner Eröffnungsveranstaltung „anders machen“ müssen: ohne eine Rede Kohls oder mit Redemöglichkeit für Honecker. Die AL wolle „mit allen DDR–Menschen auf allen Ebenen“ reden. Daß nach Honeckers Rede und der Symphonie die zwei AL–Abgeordneten auch über die Einreiseverbote reden können, mit denen die DDR viele AL–Mitglieder belegt, hält Gabriele Vonnekold für eher unwahrscheinlich. Doch vor der Fahrt kommt die Mitgliedervollversammlung. Thema: Berlin– und Deutschlandpolitik.