Grüne: Kein Votum über Späth–Duldung

■ Tolerierung einer CDU–Regierung und „wechselnde Mehrheiten“ sollen auf Grünem Landesparteitag am kommenden Wochenende nicht abgestimmt werden / SPD: „Das Feld soll offengehalten werden“

Aus Stuttgart Dietrich Willier

Ein Strategiepapier mit Wahlaussage hatten Mitglieder der baden– württembergischen Landtagsfraktion der Grünen, Mitglieder des hiesigen Parteivorstands und ein Bundestagsabgeordneter im vergangenen September mit dem sogenannten „Kuhn–Papier“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Zentrale Aussage: den baden–württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth (CDU) nach der nächsten Landtagswahl im März kommenden Jahres auch dann im Amt zu tolerieren, wenn die CDU die absolute Mehrheit im Lande verlieren sollte. Mit einer „politischen Kultur wechselnder Mehrheiten“ sollte dann versucht werden Grüne Programmpunkte in unterschiedlichen Parteikonstellationen politisch durchzusetzen. Im Vorfeld des Landesparteitages am kommenden Wochenende im badischen Sasbachwalden war in mehreren Anträgen der Verzicht auf eine solche Wahlaussage gefordert worden. Jetzt haben Landesvorstand und Unterzeich ner des „Tolerierungsvorschlags“ von sich aus auf die geplante Abstimmung ihrer Wahlaussage verzichtet. Die Frage einer punktuellen Zusammenarbeit mit Späth und der CDU, so der Grüne Landtagsabgeordnete Rezzo Schlauch, sei bei den Grünen emotional besetzt, den negativen Symbolgehalt, den der Ministerpräsident und seine CDU bei den Grünen immer noch haben, hätte man unterschätzt. Eine Abstimmung hätte zu einer Zerreißprobe geführt, und eine Niederlage wolle man sich ersparen. Die Sozialdemokraten des Landes vermuten anderes hinter der Rücknahme der Wahlaussage. Ein negatives Abstimmungsergebnis, so deren Landesvorsitzender Ulrich Maurer, solle vermieden werden, um sich die Option einer späteren Tolerierung Späths zu erhalten. Eine „Mogelpackung“ also. Schließlich, so Maurer, hätten sich drei Viertel der potentiellen Grünen Kandidaten zur nächsten Landtagswahl für eine solche Wahlaussage ausgesprochen. Maurer: „Wie ich die Leute kenne, entscheidet ja nicht deren Parteitag, was nach der Wahl ist, sondern die Abstimmung der gewählten Abgeordneten.“ Im übrigen habe er schon vor zwei Jahren das jetzt eingetretene Bündnis der Väter und Söhne aus den Villenvierteln prognostiziert, meint Maurer. Ein Teil der Grünen sei eben dabei, sich zu einer bürgerlich–ökologischen Partei rechts von der SPD zu entwickeln. Deshalb, so Maurer, sei auch trotz der Nähe in ökologischen Fragen, ein Bündnis zwischen beiden Parteien derzeit nicht relevant. Maurer wirft den Grünen vor, mit ihrer Wahlaussage machttaktische statt inhaltliche Fragen ins Zentrum ihrer politischen Diskussion zu stellen, und dafür solle „das Feld offengehalten werden“. Der Vorschlag einen Ministerpräsidenten zu tolerieren, der einen Herrn Mayer–Vorfelder als Kultusminister einsetzt und ein Ausbauprogramm für Atomkraftwerke betreibt, sei erschütternd, meint der SPD Landesvorsitzende. Ab kommenden Freitag wollen die baden–württembergischen Grünen auf ihrem Landesparteitag im badischen Sasbachwalden ein Landtagswahlprogramm diskutieren und verabschieden.