HARRYS BEKENNTNISSE

■ Harald Juhnke um acht im Sommertheater

Um acht hatte Harald Juhnke, der reuige Sünder, Spiegelbild unserer willensschwachen Seelen, eine Unterhaltungsshow für sich allein. Ihn unterstützte dabei eine völlig aus den Konturen gegangene Waltraud Habicht, die ihren ausdrucks -vollen Körper in enganliegender Glamour-Robe niemandem vorenthalten wollte. Fast zwei Stunden präsentierte Harald Juhnke sich und seine Taten in ironisierender oder sentimentaler Form auf der Mini-Entertainment-Bühne. Verdeutschte Jazz- und Filmklassiker intonierte er in gekonnt tuntigem Dean-Martin-Charme mit Berliner Flair, ließ Anekdoten seiner Jugend oder fade Pointen über die Allerweltslage ab und spielte Sketche mit besagter Waltraud. Inhaltlich schälte sich bloß stellenderweise stets heraus: Das schmähliche pfui-teufel-hab-ich-mich-gehen-lassen. Lieder, die von einer, trotz acht Mitgliedern, identitätslosen, höchstens randbezirkspopulären Band namens Pichi Palienoff Orchester begleitet wurden, hatten oft die opportune Aussage: Ich habe mich schlecht benommen, Freunde verzeiht!

Offensichtlichste Anspielung war der Frank-Sinatra -Klassiker „I did it my way“. Das rührte bei soviel Selbstflagellation selbstverständlich die verfrorensten Herzen der Anwesenden. Wer kann schon seine eigenen Schwächen mit so viel Eigenhumor so öffentlich austragen? Es war ja wirklich schauderlich mitanzuschauen, wie Juhnke mit verhärmt dünnen Beinchen bedächtig, ja fast schon versichtige Bewegungen vollführte, oftmals hatte man das Gefühl, er sacke im nächsten Moment saft- und kraftlos zusammen. War das nicht einer der Gründe, daß der Saal so gut gefüllt war wie er seinerzeit? Wollten die sensationsgeifernden Gaffer nicht eher ein Live-Delirium geboten bekommen? Aber diejenigen mit noch einem Funken Menschenliebe in sich mußten in solchen Momenten so ergriffen sein wie ich.

Alles zunichte machten dagegen die Sketche mit Partnerin, die plump unter dem faltigen Bauchnabel (Angst vor Falten? Keine Sorge, Connie, in das Alter kommst DU auch noch! d. s/d.k.) angesetzt und mit einer Themenwahl präsentiert waren, die schon so einfallslos und alt wie meine Mutter sind und ebenfalls unglaubwürdig für Juhnkes Alter. Doch das infantile, hysterische Gequieke von Frau Habicht und die frühpubertären Annäherungsversuchs-Sketche von Juhnke trafen voll ins Schwarze - ließen sie doch die verklemmten heimlichen Träumchen der verspießerten, biederlichen Kreditkartenbesitzer für kurze Zeit aufleuchten.

Fazit: Das Auditorium war gut drauf und vergab ihm noch einmal ganz gnädig seine Schuld. Übrigens: Harry bekennt jetzt täglich öffentlich.

Connie Kolb