Stoltenbergs Minus-Subvention

■ Im Zuge der berüchtigten Steuerreform von Finanzminister Stoltenberg muß auch die Berlin-Förderung mittels stattlicher Kürzung der Subvention dran glauben / von Thomas Knauf

Um rund 775 Millionen Mark soll nach der Steuerreform die Berlin-Förderung gekürzt werden, wie am Donnerstag im Bundestag beschlossen wurde. Dennoch wird das nur wenig an der ineffektiven Verteilung der Subventionsmilliarden ändern. Denn entgegen einem Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bleibt es bei der sogenannten Abnehmerpräferenz. Eine erneute Novellierung des Gesetzes erscheint deshalb über kurz oder lang unumgänglich.

Berlin muß für die unausgewogene Steuerreform Stoltenbergs stärker bluten als andere Bundesländer. Um rund 775 Millionen Mark soll die Berlinförderung gekürzt werden, so beschloß es Donnerstag abend die CDU/FDP-Mehrheit im Bundestag. Das macht immerhin rund acht Prozent des Gesamtfördervolumens von etwas 9Mrd.DM aus.

„Wer in Berlin produziert und investiert, sieht sich auch in Zukunft belohnt“, hatte gleichwohl die Wirtschaftszeitung 'Capital‘ im Vorfeld der Entscheidung ihre Leser beruhigt. Sie wies darauf hin, daß der westdeutsche Abnehmer von in Berlin produzierten Waren oder Dienstleistungen auch künftig 4,2 Prozent des steuerpflichtigen Umsatzes gegen seine Mehrwertsteuerschud aufrechnen dürfe. So entschied es der Senat. Die sogenannte Abnehmerpräferenz ist freilich eine der wesentlichen Ursachen für die „merkwürdige Produktionsstruktur“, wie sie der Korrespondent eines westdeutschen Blattes registriert.

Beispielweise sind es 80 Prozent aller Kaffeepackungen und jede zweite deutsche Zigarette, die von hier aus hochsubventioniert nach Westdeutschland gehen. Von einem anderen Unternehmen, dem Ford-Konzern, werden täglich Tonnen von Kunststoffkügelchen in die Mauerstadt gefahren, die, verarbeitet zu Armaturenbrettern, nach Köln zurückchauffiert werden. Offensichtlicher und einziger Zweck der Übung: Die hiesige Werksniederlassung kann die Herstellerpräferenz einstreichen und die Hauptniederlassung die schon erwähnte Abnehmerpräferenz. Diese Präferenz werde heute insbesondere von Unternehmen mit geringer Wertschöpfung, also einer standardisierten Massenproduktionen, kassiert, bemerkt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Gutachten und empfahl die Abschaffung der Subvention.

Aber auch der Hinweis auf den eindeutigen Mißbrauchstatbestand der Verlagerung von Gewinnen zwischen nur pro forma selbstständigen Ablegern eines Unternehmerverbundes in dem Gutachten rührte den Senat nicht. Der Erhalt des Kürzungsanspruches des westdeutschen Abnehmers von Berliner Waren sei „eine wesentliche Forderung der Berliner Wirtschaft“ gewesen, verlautbarte Finanzsenator Rexrodt. Indes gibt es nachweisbar Fertigungen, bei denen die beiden lukrativen Umsatzsteuereinsparmöglichkeiten bis zu 72 Prozent der Berliner Kosten decken. Oftmals übersteigt die Subvention zusammengerechnet sogar die gesamten jährlichen Lohnkosten der hochautomatisierten Massenproduzenten, wofür der Kartonverpackungshersteller Tetra-Pak beispielhaft stehen könnte.

Schweineohren und Computer

Durchschnittlich werden in Berlin laut der vom Senat noch nicht veröffentlichten „Wirkungsanalyse der Berlinförderung“ des DIW pro Erwerbstätigem im verarbeitenden Gewerbe 20.000DM unternehmensbezogene Subventionen Umsatzsteuerpräferenzen, Investitionszulagen, 75prozentige Sonderabschreibungen und, und, und...- aufgewandt. Während früher das Abhacken von Schweineohren die „Staatsknete“ fließen ließ, sind unterdessen längst die Computer-Fabriken etwa von IBM und Nixdorf zu den „Schweineohren der achtziger Jahre“ (DGB-Chef Pagels) geworden. Schon vor drei Jahren lag in derartigen Fabriken, in denen zum größten Teil ungelernte ArbeiterInnen im Akkord Endmontageteile wie Diskettenlaufwerke und Plattenspeicher zusammenfügen, der durchschnittliche Umsatz pro Beschäftigten mehr als doppelt so hoch wie in Westdeutschland.

Das DIW kommt in seiner Analyse zu dem nicht überraschenden Schluß: Berlin blieb trotz der Milliarden-Subventionen verlängerte Werkbank; in den letzten zehn Jahren hat die Effizienz der zuletzt Anfang 1983 novellierten Förderung abgenommen.

Wertschöpfung

Demgegenüber nehmen sich die jetzt auf Anregung des DIW von der Koalitionsmehrheit beschlossenen umsatzsteuerlichen Änderungen des Berlinförderungsgesetzes bescheiden aus. Danach wird als wichtigste Maßnahme die Sockelpräferenz bei der Herstellung von Wirtschaftsgütern von drei auf zwei Prozent gesenkt. Im Gegensatz zu der bisherigen prozentualen Stufenregelung soll sich künftig jede Steigeurng der Wertschöpfung, zum Beispiel durch Schaffung neuer Arbeitsplätze, dem Finanzsenator zufolge in einer linearen Erhöhung des Kürzungssatzes auswirken. Die vollständige Streichung der Quote wäre besser gewesen, führte dazu der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Kisker (s. Interview) auf einer Anhörung aus. Er betrachtete die Sockelförderung als „Hauptursache dafür, daß wertschöpfungsarme Produktion in Berlin erhalten und nach Berlin verlagert wurde“.

Einen ganz und gar bedenklichen Bumerangeffekt prophezeite der AL-Abgeordnete Günter Seiler, wenn das Gesetz 1990 wirksam wird: „Die Zigaretten-, Schokoladen- und Kaffeefirmen werden zwar diejenigen sein, die von der Kürzung am stärskten betroffen sind. Vieles spricht jedoch dafür, daß die noch stärker nach Berlin gehen, weil sie dann den Rest der Fertigung in Westdeutschland auch noch präferiert haben möchten.“

Halbierte Zulage

Auf die meiste Kritik ist freilich die für die Halbstadt vorgesehene Halbierung der Investitionszulage gestoßen. Für Investitionen im verarbeitenden Gewerbe, bei der Datenverarbeitung im fernabsatzorientierten Dienstleistungsgewerbe (bisher 25 Prozent) und bei Forschung und Entwicklung (bisher 30 bzw. 40 Prozent) soll sie nunmehr einheitlich 15 Prozent der Investitionssumme betragen. Die Maßnahme gehe vor allem zu Lasten der kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks und werde sich auf Forschung und Entwicklung in strukturpoltisch wichtigen Zukunftsbereichen katastrophal auswirken, rügten unisono scharf SPD, DGB und Wirtschaftsverbände.

Nur die Grühnen scherten aus der Einheitsfront aus. „Die Investitionszulage hat - sofern sie überhaupt zur Investitionsbelebung beitragen konnten - wohl eher Rationaliserungsinvestitionen begünstigt“, formulierten sie in einem parlamentarischen Antrag zur radikalen Umgestaltung der Berlin-Förderung, weg von der gesetzlich verbürgten Anspruchs- zur Antragsförderung. Die unter anderem auch durch die Streichung bzw. Absenkung von Abnehmer- und Herstellerpräferenz eingesparten Gelder sollen danach in einen Fonds wandern, dessen errechnete Finanzmasse von rund 3 Mrd. DM - etwa einem Drittel der gesamten Berlin-Förderung - zur Verbesserung des ökonomischen, ökologischen und sozialen Situation einzusetzen wäre. Die Beteiligung „gesellschaftlich relevanter Gruppen“ von den Gewerkschaften über Arbeitnehmerorganisationen bis hin zu Stadtteilinitiativen sei bei der Vergabe der Gelder, die sowohl an Unternehmen als auch für den öffentlichen Infrastrukturbereich fließen sollen, zu gewährleisten, so die Grünen in ihrem Antrag.