LIEBESTOD

■ Hermann Weber in der Galerie Manfred Giesler

Von einer traurigen, düsteren Schönheit, einer morbiden, zerfallenden Pracht erzählen die Bilder von Hermann Weber. Er läßt seine Bilderscheinungen altern: als müsse sich unser Blick durch Spinnweben, Staub und Ablagerungen von Ruß und Fett zu ihnen durchkämpfen. Weber behütet seine Bildwesen in dunklen, am Rande nur rot und gold schimmernden Räumen, so wie Edgar Allan Poe in seinen Erzählungen die geliebten Frauen, nach denen der melancholische Held sich oben im Schloß heiß verzehrte, im feuchten Moder der Familiengruft verbarg. In ängstliches Schaudern und trauriges Mitleiden mit den als Monster wiederkehrenden Frauen, die sich mit dem Nägeln den Weg aus den Grüften kratzen, wird da die unterdrückte Erotik verwandelt: Ein ähnliches Empfinden schwarzer Romantik entsteht vor Webers Bildern.

Er hat 1987/87 einen Zyklus um die Figur Eschnatons entworfen und dabei für den Herrscher, der sich die Macht der Sonne selbst einverleibte, aus dessen überlangem Schädel einen Bildschiffre entwickelt, in der sich die Sucht nach überragender Größe und eine äußerste Empfindlichkeit und Verwundbarkeit ausdrückt. Im grünlich überschimmelten Dunkel des Bildes „Liebestod“ taucht diese lange Schädelform schemenhaft wieder auf, ergänzt durch einen libellenähnlich zugespitzten Leib. Die Figur erscheint als zarter Falter, der nur eine Nacht lebt. Weber hat sein Bild auf einen goldgemusterten Stoff gemalt, der vom Mantel eines Theaterkönigs stammen könnte. Die Struktur des Gewebes drückt sich durch die Übermalungen durch: Aus dem Goldornament der Macht ist die zerfressene schwarze Spitze des Lumpensammlers geworden.

So lassen sich Webers Bilder als poetisch romantische Metaphern von Untergang und Veränderung lesen. In „Scharze Blumen“ ist die oberste Farbschicht wieder dunkel, abgebrannt, aufgerauht und mit Klümpchen durchsetzt, und nur eine Ecke läßt die darunter gemalten Blumen sehen. Eine geronnene zähe Flüssigkeit, Chemie der Zersetzung hat über das Gemälde, das selbst schon zur dekorativen Tapete erniedrigt war, gesiegt. Weber erteilt darin auch eine melancholische Absage an die gegenständliche Malerei, deren Tradition er trotzdem als teuren Schatz hütet.

Katrin Bettina Müller

Hermann Weber in der Galerie Manfred Giesler, Großbeerenstr. 56f, bis 26.6., Mi-So 15-18Uhr