Wechselseitig auf die Schippe genommen

■ Zwei Wochen lang gastiert das Variete-Ensemble „Parody Paradise“ im Bremer Schlachthof. Am Freitag war Premiere, die trotz des Sommerlochs und des Erfolgs im Vorjahr nur spärlich besucht war

Stell‘ dir vor, da gibt's im Juli eine Premiere, und kaum jemand geht hin. Viel Werbung hatten die sieben Mitglieder des Variete-Ensembles Parody Paradise auch nicht gerade betrieben. Sie setzen eindeutig auf Mundpropaganda und hoffen auf ein Schneeballsystem der Sympathie. Das funktionierte im letzten Jahr im anheimelnden Chapiteau auf den Weserwiesen offenbar ganz vorzüglich. So waren sie auch diesmal mit einigen Erwartungen nach Bremen gekommen, allerdings - ohne Zelt im Gepäck. Der Verleiher hatte kurzfristig umdisponiert, und so war das Zelt-Variete gezwungen, sich im Schlachthof niederzulassen.

Zwei Vorteile des Veranstaltungsortes liegen klar auf der Hand. Zum einen müssen die Besucher bei unserem hochsommerlichen Schmuddel-Wetter nicht durch moddrige Wiesensümpfe tapsen und außerdem ist die Nähe zu den Akteuren weit angenehmer. Die Auswahl der Nummern

dieser Künstler-Selbstproduktion ist fast identisch mit der des Vorjahres. Alles erscheint etwas runder und stimmiger. Nein, nicht die Bühnendarsteller, die haben sich eigentlich kaum verändert, aber der Szenenablauf ist in seiner Anlage flüssiger. Ohne Frage haben die Mitglieder gelernt, entweder Fehler zu vermeiden oder diese ganz bewußt als Lacher einzusetzen.

Daß auf und hinter der Bühne Schwerarbeit verrichtet wird, ergibt sich allein aus der Tatsache, daß die tragenden Programmacts nur von drei Akteuren präsentiert werden. Die restlichen vier Mitglieder der Bühnen-Crew sind Musiker der Live-Band. Während die eine Nummer lief, oder Gus, der Gitarrist/Saxophonist als Confroncier die Überleitungen moderierte, herrschte hinter dem schwarzen Bühnenvorhang hektisches Umziehen oder - schminken.

Guter Geist und Kalfaktor des Unternehmens war ein sympa

thisch duller Dumm-August in Frack und Melone namens Hercule. Nie ein Wort verlierend hob er auf, trug herbei, ging zur Hand oder begrüßte die ZuschauerInnen. Wortlos wie er war, gestikulierte er seine schlechte Meinung über die Künstler und machte sich lustig über sie. Mit naiver Selbstsicherheit stellte er sich als das Herzstück des Parody-Programms dar. Doch davon ließen sich die übrigen Mitglieder nicht beeindrucken. Cotton McAloon, Berufsamerikaner mit französischem Akzent, wenn er mal deutsch spricht, war mit seiner 25minütigen Jonglier-Nummer gleich zu Beginn ein Höhepunkt. Ständig mit dem Publikum parlierend, bot er eine wüste Mischung aus Artistik, Klamauk, und Anspielungen. McAloonatic sollte er heißen, wenn er den „stupid trick Number one“ ankündigte und sich dabei ständig mit wechselnden Keulen auf den Kopf haute. Das Publikum kreischte vor Begeisterung und der freche

Cotton sah sich in seiner Meinung über den niederen Geschmack bestätigt. „Wanna see it again? Awrite, come back tomorrow“, grinste er und dann machte er es doch noch mal.

Die Szenenfolge ging Schlag auf Schlag, Hercule tölperte weiter durchs Geschehen und setzte sich sogar mit einem stimmungsvollen Schattenspiel liebenswert in Szene. Ein Heavy-Metal-Jojo brachte Bewegung auf die Bühne. Fafa, die französische Magierin schluckte Rasierklingen am „laufenden Band“, verbrannte größere Geldscheine und schien die Gesundheit ihres Assistenten aus dem Publikum aufs Spiel zu setzen. Zum heimlichen Star des Abends avancierte allerdings Heinzi. Mit Schmalzlocke und Moustache versuchte er, bei hautengen Tanzschritten mit einer Besucherin anzubändeln. Doch

die Gedanken der beiden (aus dem Off eingespielt) entlarvten ihn als schmierigen, abgewrackten Joe Cool, der zudem noch schlecht roch. Das Auditorium und besonders der Begleiter der derart ins Rampenlicht Getauchten nahmen es mit Begeisterung. Doch so wie sich Parody Paradise selbst ständig auf die Schippe nahmen, hielten sie es auch mit ihrem Premierenpublikum. McAloon forderte die Besucherschar auf, gleich nach der Show zwanzig Freunde anzurufen, um sie für das Spektakel zu begeistern. Denn: „We don't do this for money, we do this for fun. And the more money we make, the more fun we have“. Oder lachte jemand an der falschen Stelle, fuhr Fafa, ganz Magierin, hoch: „Noch mal, und ich verwandle dich in einen Frosch!“

Jürgen Francke

20.-24.7 und 27.-21.7, 21 Uhr