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■ Krakatau-Eröffnungsfest im Tempodrom

Eigentlich war alles ganz prima: Saf Sap, eine Musikgruppe aus Senegal, negerte folkloristisches Ambiente und Trommelfeuer ins Zelt; Black Blanc Beur, das Fernsehballett aus den Pariser Suburbs, tänzelte in straighten Formationen über die Bühne; draußen, am Stand der Klangbastler Michael Kammertöns und Peter Tucholski fauchte, zischte und röchelte es aus den Rohren, Pumpen und Schläuchen; und während drinnen die BMX-Artisten aus Tegel die Schwerpunkte ihrer mit den Rädern eins gewordenen Körper ausbalancierten, fiel Butzmann und Kapielkis erstes Demonstrationsobjekt der Lust am Krach - ein Schrank - nicht nur mit Kawumm um, sondern brach auch noch spektakulär auseinander und erschlug beinahe die Artisten.

Wer da war, amüsierte sich - trotzdem hat das Eröffnungsfest von Krakatau nicht ganz sein Ziel erreicht. Eingeladen waren nämlich neben allen Werkstatt-Künstlern vor allem Leute zwischen 10 und 20 Jahren, um hier zum ersten Mal die Künstler zu beschnuppern, ein wenig von deren Arbeit zu sehen und damit heiß auf einen der über 30 Workshops zu werden. Jede Menge Künstler mit Freunden, Presseleute auf der Jagd nach den raren jugendlichen Interviewpartnern und halb neugierige, halb mißtrauische Berliner Pädagogen trieben sich im Tempodrom rum - nur unter 20 war höchstens ein Viertel des Publikums, unter 15 nur ganz wenige, die mit ihren Eltern kamen.

Im Festrummel von E 88 eine Million DM für die Kunst-Jugend -Werkstatt Krakatau auszugeben, rechnete die Senatorin Schmalz-Jacobsen sich als Verdienst an: sicher sind die Moneten, die sonst im nimmersatten Schlund von zwei, drei Inszenierungen oder Institutionen der Erwachsenen-Kultur verschwinden, in der gemeinsamen Förderung der Kreativität von Jugendlichen und Künstlern gut investiert. Trotzdem geht das Programm - so befürchteten einige in Berlin mit Jugendlichen arbeitende Pädagogen und Sozialarbeiter schon während der Planung - an den Bedürfnissen der Mehrheit der Jugendlichen, die während der Schulferien in Berlin bleiben, vorbei. Es ist keine sozialpflegerische Maßnahme. Das Workshop-Angebot, das eigenlich nicht auf eine bestimmte soziale Gruppe zugeschnitten sein sollte, könnte für viele doch zu abstrakt und fremd klingen; die Orte Tempodrom, Tiergarten und Kongreßhalle liegen zu weit entfernt vom gewohnten Bewegungsraum. (Eine dezentralisierte Fortsetzung in den Bezirken ist ab Herbst möglich: „Kulturkarawane“ heißt diese Initiative.)

Auf diese Situation der Nicht-Anwesenheit von Jugendlichen hinzuweisen, war bestimmt nicht die Absicht des Moderators; aber als er zur Überbrückung der ersten Umbaupause mit dem Publikum plaudern wollte, erwischte er neben Presseleuten nur eine Jazz-Tanz-Gruppe aus Hannover, die im Zelt die erste Reihe besetzten und sich alle zu Black Blanc Beur anmelden wollten. Die Pariser Show war bisher die größte Attraktion und die Teilnehmer-Liste ihres Workshops schon am Nachmittag geschlossen. (Zu dem Zeitpunkt hatte sich zum Beispiel in der TrickfilmWerkstaat erst einer angemeldet.)

Probleme, bei den Jugendlichen Begeisterung zu wecken, hatte Jeremie Baudoin, der aus gefundenen Materialien Kostüme entwirft und sich zur Eröffnung in einen PKW voll Wasser mit einigen Fischen setzen wollte. Spektakel und verrückte Ideen allein werden auch von den Jugendlichen nicht unbedingt als Kunst akzeptiert. Bei einer Gruppe Teenies fiel auch die Improvisation von Leonore Ickstadt total durch: Leonore, die für Zehn- bis Zwölfjährige einen Workshop über die Entdeckung von Seilen, Stoffen und Papier als Spielmaterial anbietet, improvisierte mit Kindern auf der Bühne - reißen, flattern, verstecken, einwickeln, suchen, durchwühlen, beladen, befreien ... aber die Teenies vermißten die Bedeutung, das Dargestellte und die erkennbare Ordnung.

Gegen den Hang zu Anpassung und Konformismus, der ihm gerade in der Jugendkultur trotz ihrer zur Schau gestellten Farbigkeit und Lautstärke aufstoße, protestierte Bazon Brock, der mit diesen Tönen als einziger aus der allgemein demonstrierten Kumpelhaftigkeit und dem bemühten Verwischen der Grenzen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen hinausfiel. Er will in szenischen Übungen die Selbstdarstellung und Verweigerung der durch die Medien vorgezeichneten Persönlichkeiten erproben.

Gerade weil Krakatau nicht nur Show und Perfektion verkaufen will, sondern in den einzelnen Workshops genügend Potential zur Kratzbürstigkeit, zur Durchmischung von Alltag und Kunst, zum Spiel mit den vorhandenen Fähigkeiten und Sinnen liegt, hoffe ich, daß sich die leicht elitären Dunstwolken von Ankündigungen a la „Musik-Klang-Raum“, „Raum -Material-Aktion“ und „Stimme-Sprache-Bild“ verziehen und der Vulkan Krakatau doch noch von denen zwischen zehn und 20 gestürmt und entzündet wird.

Katrin Bettina Müller

Krakatau: Kongreßhalle und Tempodrom, täglich zwischen 10 und 19 Uhr bis zum 6.August. Die Workshops haben unterschiedliche Laufzeiten. Manche erfordern eine regelmäßige Teilnahme, andere sind täglich neu für Interessierte offen.