FUCKING CARS...

■ ... and Killing Women

Der 23jährige Waldfacharbeiter Ralph P., bekanntgeworden als der Oetker-Entführer, sagte vor Gericht aus: „Nachdem meine Verlobte mich verlassen hatte, blieb mir nur mein Opel -Kadett. Manchmal saß ich im Auto und streichelte das Lenkrad: 'Du bist der einzige, der zu mir hält, du verläßt mich nie.'“

Im Begleittext zum „Krimi-Sommertheater-Film 'Killing Cars'“ (von Verhoeven) schreibt die ARD: „Der Ingenieur Korda hat zwei Leidenschaften: Autos und Frauen“.

Ja nun, welcher Mann hat die nicht? Und so werden diese allgemeinen Antriebskräfte in dem „spannenden Spielfilm“ (ARD) auch mit allem aufgemotzt, was gerade gut und teuer und aktuell ist: Ökologie, Punks, Geisterfahrer, blonde Spiegel-Redakteurinnen, Konzern-Verschwörungen um ein umweltfreundliches Auto und ein Halbdutzend Stars, bekannt aus Funk und Fernsehen.

Der ganze Plot besteht aus einer Verballhornung des großartigen Auto-Pornos „Crash“ von J.G. Ballard und dementsprechend sind die vielen Unfälle und Auto-Crashs das einzig „spannende“ an dem Film „Killing Cars“ (er lief am letzten Mittwoch, zufällig zur selben Zeit, als wir uns mit den Leuten von der „Car-Killer-Show“ hinter der Deutschlandhalle trafen).

J.G. Ballard hat einmal über seinen berühmt gewordenen Auto -Porno geschrieben: „'Crash‘ befaßt sich nicht mit einem imaginären Desaster, sondern mit einer Katastrophe, die in allen Industrienationen institutionalisiert ist, in denen alljährlich Tausende von Menschen durch Autos getötet und Millionen verkrüppelt werden. Sehen wir selbst im Autounfall ein unheimliches Omen einer alptraumhaften Verbindung von Sex und Technologie? Versorgt uns die moderne Technologie mit Mitteln und Möglichkeiten, unsere Pathologien auszuleben, von denen wir bisher nicht zu träumen wagten? Liegt in dieser Nutzbarmachung unserer brachliegenden Perversion ein Nutzen für uns? Liegt ihr eine trotzige Logik zugrunde, die mächtiger als jede Vernunft ist? Ich habe in 'Crash‘ das Auto nicht nur als sexuelles Sinnbild dargestellt, sondern auch als Metapher für das Leben der Menschen in der modernen Gesellschaft. Daher hat das Buch auch einen sehr politischen Gehalt, der nichts mit dem sexuellen Inhalt zu tun hat, aber ich würde 'Crash‘ trotzdem als ersten pornographischen Roman ansehen, der auf der Technologie basiert. In gewissem Sinne ist die Pornographie die politischste Form von Literatur, denn sie befaßt sich damit, wie wir uns gegenseitig auf die ruchloseste und schonungsloseste Weise ausbeuten und benützen.“

Daß von all den technologischen Verbindungsmöglichkeiten gerade das Auto gewählt wurde, liegt darin begründet, daß über kein anderes Gadget so sehr die Identität gestiftet und stabilisiert wird. Junge Leute auf dem Land z.B. identifizieren sich fast ausschließlich über ihre jeweiligen Autotypen: „Ach, du meinst den mit dem silbergrauen Manta!“

Besonders identitätsgefährdende Ereignisse wären demnach „Führerscheinentzug“, „Geschwindigkeitsbegrenzung“ und vor allem „Autounfälle“. Aber auch eine „Benzinpreiserhöhung“, wie jüngst von der CDU vorgeschlagen, könnte bereits eine „psychische Massenverelendung“ (Mitscherlich), besonders bei Jugendlichen aus der Unterschicht, zur Folge haben. Die Sozialdemokraten haben jetzt diese politische Idee als „arbeitnehmerfeindlich“ abgelehnt. Der Alt-68er und 'Zeit' -Redakteur Greffrath nannte das gestern „den größten Fehler der SPD in den letzten drei Wochen“.

Helmut Höge