Keine Rücksicht bei der Auslese

■ US-LeichtathletInnen kämpfen um Olympia-Tickets / Frauen mit zwei fantastischen Weltrekorden

Berlin (taz) - Charles Darwin läßt grüßen, diesmal aus Indianapolis: Dort fanden am Wochenende die „Trials“ statt, die Ausscheidung der US-amerikanishen Leichtathleten für die Olympischen Spiele in Seoul. Qualifiziert sind die jeweils ersten Drei einer Disziplin. So einfach geht das.

Ein Gold-Kandidat ist gerade verletzt? Eine Medaillenanwärterin in einem Formtief? Wenn kümmert sowas, am Tag X gilt es, und wer nicht vorn mit dabei ist, fällt eben raus aus dem Kader, selbst wenn dabei vermeintlich sicheres Edelmetall auf dem Spiel steht. Ein Siggi Wentz, der, das Seoul-Ticket bereits in der Tasche, eine Meisterschaft wegen „Motivationsproblemen“ aufgibt?. Undenkbar hier. Ausgelebte Härte und Rücksichtslosigkeit, die US-Athleten unterliegen als einzige solchen Kriterien in der Qualifikation, und mit Sturheit hält man am Modus dieser Auslese fest.

Einigen scheint dieser Druck nicht schlecht zu bekommen. Zwar war so manche Rekordzeit vom Rückenwind verweht, doch zwei Ergebnisse vor allem knallten wie Paukenschläge in den olympischen Sommer: die Weltrekorde von Florence Griffith -Joyner über 100 Meter und von Jackie Joyner-Kersee im Siebenkampf.

Joyner-Kersee, 1987 in Rom Weltmeisterin im Siebenkampf und im Weitsprung, lag bereits vor dem abschließenden 800-m-Lauf mit 215 Punkten über der alten Bestmarke, so daß Trainer und Ehemann Bob überzeugt war, „selbst ein Erdbeben kann sie jetzt nicht mehr aufhalten“. Er sollte recht behalten, wenngleich die Zeit von 2:20,70 nur noch eine Verbesserung um 57 auf 7.215 Punkte brachte. Immerhin, die fünf besten Resultate aller Zeiten gehören nun Joyner-Kersee, die mit den in Indianapolis erzielten Einzelergebnissen allein drei bundesdeutsche Rekorde gebrochen hätte. Die Sprinterin Griffith-Joyner hatte bereits im Vorlauf mit 10,6 Sekunden den alten Weltrekord von Evelyn Ashford um 16/100 unterboten, der flotte Schritt jedoch war getrieben von 3,2 m/sek. Rückenwind - zuviel für eine offizielle Anerkennung. Im Zwischenlauf dann wetzte sie bei Windstille noch schneller: 10,49.

Auch den Männern schienen Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit gut zu bekommen. Über 100 m gab es gleich reihenweise Zeiten unter 10,0. In Seoul dürfen Carl Lewis, Dennis Mitchell und Calvin Smith an den Start. Und Altmeister Willie Banks segelte im Dreisprung auf 18,06 m - mit zuviel Wind unterm Hintern. Kurioses gibt es von den Gehern zu melden. Der schon für die 50 km qualifizierte Carl Schüler wartete bei den 20 Kilometern vor dem Zielstrich auf Paul Schwartzberg, um diesem mit einem dritten Platz zu einem Seoul-Start zu verhelfen. Vergebens: Schwartzberg wurde wegen unsauberer Gangart aus der Siegerliste gestrichen. Die Freude ist jetzt bei Jim Heiring, der von Schülers Großzügigkeit profitiert.

-thöm