„Verflucht sei die Giftmüllmafia“

■ Der für Umwelt zuständige türkische Staatsminister Adnan Kahveci zu den Giftmüllimporten

I N T E R V I E W

Bis zum 27.Juli muß der westdeutsche Giftmüll, der gegenwärtig auf dem Gelände einer türkischen Zementfabrik in Isparta lagert, in die Bundesrepublik zurücktransportiert werden. Ansonsten droht die Staatsanwaltschaft Isparta mit Haftstrafen gegen den türkischen Importeur. Als Ersatzbrennstoff deklariert, hatte das baden -württembergische Unternehmen 'Weber Industrie- und Stadtreinigung‘ 1.581 Tonnen des Sondermülls, bei dessen unsachgemäßer Verbrennung Dioxin entsteht, in die Türkei exportiert. Die taz machte am 8.Februar den Fall publik, nach wochenlangen Schlagzeilen in der türkischen Presse intervenierte die türkische Regierung. Am 5.Mai traf sich Bundesumweltminister Töpfer mit seinem türkischen Amtskollegen Veysal Atasoy in Bonn. Das Bonner Umweltministerium akzeptierte, daß der Sondermüll „falsch deklariert“ worden sei. Einvernehmlich einigten sich die Minister auf Rücktransport des Giftmülls. „Die Bundesregierung wird dafür sorgen, daß illegal in die Türkei geschaffter Sondermüll aus der Bundesrepublik auf Kosten des Verursachers wieder zurückgeführt wird“, so Töpfer.

Weber aber will sein Produkt nicht zurücknehmen, wie er in der Göppinger Tagespresse erklärte: „Herr Töpfer kann mir nichts befehlen, das ist ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Industrie-Betrieben, und auf meine Rechnung wird der Brennstoff nicht zurücktransportiert.

taz: Welche Erfahrungen hat die Türkei mit importiertem Giftmüll?

Adnan Kahveci: Es ist ein Problem, mit dem nicht nur die Türkei, sondern eine Reihe von Ländern konfrontiert ist. In einigen Ländern - zu ihnen zählt auch die Bundesrepublik ist die Entsorgung von giftigen Abfällen bei den gegebenen Umweltstandards sehr teuer. Bei manchen Abfällen kostet die Entsorgung einer Tonne 100.000 Mark. Bei radioaktiven Abfällen ist der Betrag noch teurer. Diese Umstände führen dazu, daß in den betreffenden Ländern eine Gifmüllmafia entsteht. Diese Mafia baut sich Verbindungen in andere Länder auf. Anstatt die Abfälle teuer in der BRD zu entsorgen, wird die Ware unter Zahlung von Schmiergeldern exportiert.

Kritische Stimmen in der Bundesrepublik sagen, daß es notwendig ist, durch technologische Innovationen die Entgiftung des Produktionsprozesses voranzutreiben und so den Anteil der anfallenden giftigen Industrieabfälle zu reduzieren. Teilen Sie diese Auffassung?

Ja. Die Beseitigung dieser Abfälle im offenen Meer oder der Export in andere Länder ist gewissermaßen Todesexport. Die umweltschonende und zielgerechte Entsorgung in den betreffenden Ländern selbst wäre sowohl in ihrem Interesse als auch im Interesse der übrigen Erdbevölkerung.

Woran liegt es, daß die Türkei ein bevorzugtes Zielland der Gifmüllexporte wurde? Gibt es Lücken in der türkischen Gesetzgebung? Ist der türkische Zoll zu lasch?

Leider liegt es nicht an der Gesetzgebung oder am Zoll. Ich sage leider, weil mit Lügen und falschen Deklarationen der Giftmüll in die Türkei importiert wurde. Im Fall der Zementfabrik Isparta ist dies der Fall. Ich vermute böse Absichten auf beiden Seiten.

Illegale Giftmüllexporte sind ja keine seltenen Delikte, die von Einzeltätern ausgeführt werden. Der Markt wird beherrscht von Firmen, die internationale Verbindungen haben. Sind die Behörden in der Türkei überhaupt in der Lage, mit dieser Form von organisierter Kriminalität fertig zu werden?

Meiner Ansicht nach tragen die Regierungen der Länder, in denen Giftmüll anfällt, große Verantwortung. Sie verfügen über ausreichende Informationen. Bei der Ausstreuung dieser Informationen können sie den anderen Ländern behilflich sein. Sie können Informationen weiterleiten. Diese Länder wissen genau, wann giftige industrielle Abfälle die Landesgrenzen verlassen. Zumindest im Namen der Menschlichkeit hätten sie die Verpflichtung, das Importland zu informieren.

Welche Maßnahmen sind nun in der Türkei geplant?

Folgender Gedanke liegt unserer neuen Ausführungsbestimmung zum Gesetz zugrunde. Sagen wir, aus der BRD wird als Roh oder Brennstoff deklariert ein Produkt in die Türkei exportiert. In diesem Fall werden wir sowohl von der exportierenden deutschen Firma als auch von der importierenden türkischen Firma eine schriftliche Verpflichtungserklärung verlangen, daß das Produkt im Exportland die Umwelt nicht belastet und ohne Sicherheitsauflagen entsorgt werden kann. In dieser Erklärung werden wir sowohl den Exporteur als auch den Importeur verpflichten, hohe Geldsummen zu zahlen, falls sich ihre Angaben als falsch erweisen.

An welche Höhe denken Sie?

Unser Entwurf ist in Vorbereitung, ich will mich nicht festlegen. Aber sicherlich in Millionen-Mark-Höhe.

Die Präfektur Isparta hat nach Bekanntwerden des Gutachtens der Technischen Universität Ankara über den Brennstoff der deutschen Firma Weber und der Intervention der türkischen Umweltbehörde der türkischen Zementfabrik eine Frist bis zum 27.Juli gesetzt, binnen der sie den westdeutschen Giftmüll zurücktransportieren muß. Die baden-württembergische Firma Weber, die die Abfälle in die Türkei ausgeführt hat, will sie nicht zurücknehmen. Wie soll dann der konkrete Fall gelöst werden?

Wenn das Zeug ungefährlich ist, warum bitte wollen sie es dann nicht zuücknehmen? Wenn der sogenannte Ersatzbrennstoff der Firma Weber harmlos ist, warum nehmen sie es nicht zurück?

Weber behauptet, nach den Analyseergebnissen, die an dem Brennstoff in der türkei festgestellt wurden, könne es sich nicht um seinen Ersatzbrennstoff handeln.

Fuck them. Da kann man wirklich nur noch fluchen.

Herr Minister, noch eine letzte Frage außerhalb des Giftmüllthemas. Von der neuen Kabinettsverfügung, die drei Regionen an der Mittelmeerküste zu speziellen Umweltschutzzonen deklariert, ist auch die Dalyan-Bucht betroffen. In Vergangenheit wurde das von der DEG mitfinanzierte Hotelprojekt Zielscheibe der Kritik, da die vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröte carretta carretta am Küstenstreifen lebt.

Das Projekt ist endgültig gestoppt. Unser Ziel ist folgendes: Die Türkei soll das durch Umweltprobleme am wenigsten belastete Land am Mittelmeer bleiben. Die Dalyan -Bucht wird zum Nationalpark.

Herr Minister, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Sie können meinen Fluch durchaus veröffentlichen. Leider ist es so, daß die Giftmüllmafia nur diesen Ton versteht.

Interview: Ömer Erzeren