„Mutter hat mich in den Arsch gebissen“

■ Ab morgen läuft im Cinema (21 Uhr) der immerhin schon 1970 gedrehte Carl-Reiner-Film „Wo is‘ Papa?“, ein krudes Stück Humor um eine nervtötende Horror-Mama

Manchmal dauert es schon eine Weile, bis ein Kinofilm auch bei uns seinen Weg bis zur Aufführung macht. Carl Reiners Wo Is‘ Papa ? brauchte genau 18 Jahre. Dies ist an sich schon recht bemerkenswert, war doch dieser Ablach-Streifen schon bald nach seiner Fertigstellung ein Geheimtip kinointeressierter Kids der 70er Jahre. Schuld daran war ausnahmsweise einmal das Fernsehen. Dort wurde Reiners dritte Kinoarbeit in der Originalfassung sowie deutsch synchronisiert rauf und runter gespielt. Bestimmte TV -Redakteure hatten offensichtlich ein Faible für despektierliche Familien-Farcen.

Gordon Hocheiser (George Segal) lebt seit Jahren mit seiner greisen Mutter (Ruth Gordon) in einer New Yorker Wohnung und läßt sich von ihr terrorisieren. Ihre boshaft-senilen Attacken wider die Selbständigkeit des Sohnes kulminieren regelmäßig in der nervtötenden Frage nach dem Ehemann :„Wo is‘ Papa?“ - „Der is‘ tot.“ - „Sei nicht so frech.“ Kein Wunder also, wenn der Sohnemann schon in der Frühe gehässige Gegenaktionen startet. Doch sein abstruser Amoklauf noch vor dem Frühstück durch das mütterliche Schlafgemach vermag die kaugummikauende Tyrannin gar

nicht zu erschrecken - trotz des Gorillakostüms.

Das ist Slapstick-Kultur in Reinform, nicht mehr, allerdings auch nicht weniger. Denn der Regisseur Carl Reiner ist nicht irgendwer. Mit der amerikanischen TV-Serie „Dick van Dyke Show“ war er schon populär geworden, sein „Tote tragen keine Karos“ (1981) machte ihn berühmt. „Intelligenten Schwachsinn“ nannten Kritiker Carl Reiners Parforce-Ritte durch die Welt der Absurditäten. Nichts anderes tischt er uns auf, hangelt sich dabei konsequent von einem Brüller zum nächsten Kreischer. Das muß nicht unbedingt jeden Humor-Geschmack treffen, aber zu seiner Zeit war die Groteske eine Provokation allerersten Ranges: Daß es einer amerikanischen Medienfamilie fast immer an einem wichtigen Mitglied fehlt, wurde in den bürgerlich prüden USA noch hingenommen, doch ein Ehemann, der seinen Sohn halb totwürgt, um von seiner Frau das Wegerecht durch die Wohnungstür zu erpressen, ging so manchem „Fred-Feuerstein„ -ge- wöhnten Kritiker gegen den

Strich.

Doch Where's Poppa, so der Originaltitel, steuert noch ganz andere Komikufer an. Als Gordon zu seiner Fast-Freundin Louise sagt:„Ich hatte einen harten Abend. Mutter hat mich in den Arsch gebissen und ich bin die Treppe runtergefallen“, dann darf dies durchaus wörtlich genommen werden. Taxifahrer, die lieber einen Gorilla als einen farbigen Fahrgast befördern und ein Mann eben in diesem Affen-Outfit, der (ungewollt) einen Polizisten in Frauenkleidern vergewaltigt, gehören zu den weiteren Highlights kruden Humors. In einer ersten Fassung stieg der fatalistisch ergebene Sohn mit seiner Horror-Mama gar ins Bett, doch das ging dann der Zensur zu weit. So müssen wir mit einer entschärften Abschiebe-Version ins Altersheim Vorlieb nehmen und uns an den unverschämten Redensarten der Akteure delektieren. Die wirken in der Originalfassung zwar weitaus treffender, aber den rüden Witz dieser Klamotte vermögen selbst deutsche Worte nicht zu schmälern.

Jürgen Francke