Lärmsonderopfer für Schamoni

■ Nach drei Wochenenden „Inferno und Paradies“ darf am Samstag nun 100,6 am Wannsee lärmen

Drei Wochenenden hintereinander, an insgesamt neun Abenden, ertrug die Frau, eine Anwohnerin des Großen Wannsees, das Senatsspektakel: „Inferno und Paradies“ vor dem Strandbad Wannsee, jeden Abend gekrönt von einem Feuerwerk. Nach dem Lärm-Inferno kehre dieses Wochenende wieder paradiesische Ruhe ein, hoffte die Frau. Doch nicht nur sie ließ das Inferno (Mitveranstalter: „Radio in Berlin“) nicht schlafen, auch die Konkurrenz ruhte nicht. Folge: am Samstag läßt der Schamoni-Funk, ein paar Megahertz weit von Radio Berlin entfernt, „100,6“ im Strandbad ein Sommerfest steigen, für die ganze Familie und für das Image von „100,6“. Von drei Bühnen wird der See, so plant es der „AWI Show Service“, im Schamoni-Auftrag mit Musik beschallt. Den Abschluß bildet ein Feuerwerk.

Das gehöre bei solchen Veranstaltungen einfach dazu, sagt „100,6„-Sprecherin Schubert. Jetzt hat die Anwohnerin einen Rechtsanwalt beauftragt. Advokat Körting will heute vor das Verwaltungsgericht ziehen, falls der Senat die Veranstaltung nicht doch noch verbietet. Körting verweist auf die Lärmschutzverordnung. Danach ist es verboten, nach 22 Uhr „andere Personen“ unzumutbar zu stören. Ungewöhnlich findet Anwalt Körting, wie Schamoni eine Ausnahmegenehmigung und damit „Vorrang“ vor dem Lärmschutz erhielt. Seine Privatfestivität bringe kaum die nötigen Voraussetzungen mit, meint Körting.

Zehlendorfs Gesundheitsstadtrat Mühe (SPD), zuständig für Lärm, hatte der Firma AWI deshalb zunächst zur Auflage gemacht, um 22 Uhr Schluß zu machen. Auch er wollte nach dem Inferno erstmal Ruhe einkehren lassen. Einen Termin im September - Mühes Vorschlag - hatte AWI abgelehnt: die Musiker seien bereits engagiert. Warum hatte die Firma die Lärmerlaubnis nicht vorher beantragt? Sie war laut Mühe der Verordnung angeblich nicht kundig. Die Firma wollte keine Stellungnahme abgeben.

Bei „100,6“ selbst erklärt man die August-Fixierung so: im September sei das Wetter einfach schlechter. Nicht AWI, sondern „100,6“ legte am Freitag gegen Mühes Bescheid Widerspruch ein. Zehlendorfs stellvertretender Bürgermeister, CDU-Mann Plückhahn, reagierte noch am selben Tag. Telefonisch lud er das Bezirksamt zu einer Sondersitzung - um sogleich „Rechtsklarheit“ zu schaffen, wie er heute sagt. Mit CDU-Mehrheit hob das Bezirksamt Mühes Entscheidung mühelos auf und erlaubte Schamoni, bis 23 Uhr zu feiern und zu feuern. Plückhahns Begründung ist zumindest originell: „100,6“ sei ein Rundfunksender und da wolle er sich „nicht zum Zensor machen“. Nicht antworten wollte er auf die Frage, ob es denn auch Zensur sei, würde man Schamoni zum Beispiel ein Autorennen verbieten. In E88, meint Plückhahn, sei den Berlinern ein „Lärmsonderopfer“ zuzumuten.

hmt