MONSTERSHOW

■ „What ever happened to Baby Jane“ von Robert Aldrich

Lidschatten, Lippenstift und Puder panzern ihr Gesicht wie eine starre Totenmaske, die sich schon tief in die Haut eingefressen hat. Jane Hudson (Bette Davis), der Kinderstar der 20er Jahre: sie ist schon über 50, da pendeln noch immer die blonden Korkenzieherlocken um ihr gespenstisches Gesicht und sie zwängt sich im irrsinnigen Glauben an die Möglichkeit eines Comeback in jugendliche Kleider, durch die sich ihre Unterwäsche abzeichnet. Nichts von der Verwahrlosung einer alternden Alkoholikerin bleibt ausgespart.

Ihre Schwester Blanche dagegen (Joan Crawford), deren Karriere als Schauspielerin ein Autounfall zerstörte seitdem sitzt sie im Rollstuhl - strahlt unter den wie Vogelschwingen geschwungenen dunklen Augenbrauen noch immer Schönheit aus. Blanches Disziplin gegen Janes Auflösung, Blanches Sanftheit und Rücksichtnahme gegen Janes offenen Haß und Brutalität, Blanches Appelle an die Vernunft und Bitten um Hilfe gegen Janes physischen und psychischen Terrorismus und Wahnsinn - da scheint die leidende und an den Rollstuhl gefesselte Frau die moralische Siegerin. Ganz kleine Verdachtsmomente nur kratzen diese Interpretation an, erst ganz am Ende kracht sie mit Getöse zusammen. Bis zum Schluß bewahrt Aldrich das Geheimnis ihrer Listen. Auch hinter Blanches rücksichtsvollem Umgang mit dem Wahnsinn der Schwester lauert ein Kalkül, eine Spekulation mit Schuldgefühlen. Was man für Menschlichkeit und Großmut gehalten hat, zerbröselt wie trockener Sandkuchen.

Blanche quält Jane mit schlechtem Gewissen: subtil läßt sie deren Wahnsinn wachsen, bis er wie eine Falle über ihr selbst einrastet. Jane serviert ihrer Schwester tote Ratten und tritt die gelähmte, hilflose Frau mit Hackenschuhen zusammen: eine schockierende Sequenz. Frauen auf der Leinwand pflegen anders zu morden. Die Inszenierung von Janes Wut dringt heute noch unter die Haut, empört mehr als der gewöhnliche Mord. Bei jedem Tritt will man als Zuschauer, daß jetzt Schluß ist, nicht nur um des Opfers, sondern auch um der Täterin willen. Diese Bestie will man nicht wahrhaben.

Es ist kein Zufall, daß der Regisseur Robert Aldrich für diese Monstershow einen Stoff ausgewählt hat, der seinen Ausgangspunkt auf den Bühnen und in den Filmstudios hat. Beiden Frauen hat ihr Starruhm eine lebbare Einschätzung der eigenen Person zerbrochen. Blanche gibt sich der Selbsttäuschung hin, das edelmütige Geschöpf ihrer Rollen zu sein und streut damit auch uns lange Sand in die Augen. Jane, deren Zimmer mit kindischem Plunder überquillt, erleidet ständige Regressionen und kämpft noch immer um die Zuneigung, die ihr als Kind verweigert wurde. In der Zuschauerstellung des seelischen Notstandes, der Armseligkeit und inneren Verwahrlosung der einstigen Stars bekräftigt Aldrich, der seit 1955 seine Filme selbst produzierte, seinen Bruch mit Hollywood.

Die Geschichte von verweigerter Liebe zwischen den beiden Schwestern hätte Stoff für ein Melodram geboten: aber Aldrich inszenierte sie mit einem kalten und faszinierten Blick auf die Häßlichkeit des Menschen. Beide Frauen sind zerstört, am Ende, und doch beherrschen sie die Leinwand mit erdrückender Stärke in nicht nachlassender Spannung. Der merkwürdige Anachronismus ihrer Existenz hebt auch den Film aus der Zeit heraus: seine Entstehung Anfang der 60er Jahre ist ihm schwer anzusehen.

Als dritter in diesem grotesken Panoptikum tritt ein Pianist auf, der Janes Comeback vorbereiten soll, und dessen geistige Fähigkeiten in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seinen drei Zentnern Körperfülle stehen. Ausgerechnet von diesem ungeschlachten egoistischen Riesenbaby muß man die Rettung der gefolterten Blanche erwarten. Es ist eine verlorene Welt, in der die Ritter so albern und vertrottelt daherkommen.

Katrin Bettina Müller

„Was geschah wirklich mit Baby Jane“ ab 18.8. täglich in ungekürzter Fassung im Cinema um 21 Uhr (OmU); um 23 Uhr in der Filmbühne am Steinplatz (deutsche Fassung)