„Mondmieten“ in der Stadt

■ „Mietenpolitische Inventur“ des Mietervereins fällt für Senat schlecht aus / Wohnungsnot verschärfe Folgen, nachdem Mietpreisbindung aufgehoben wurde

„Drei wesentliche Eckpfeiler“, die laut Senat den Wegfall der Mietpreisbindung kompensieren sollten, seien eingestürzt, kritisierte gestern Fritz Schmoll vom Vorstand des Mietervereins vor Journalisten. 1990 entfalle die Wohnungsgemeinnützigkeit, bis 1995 würden 25 Prozent aller Sozialwohnungen aus der Preisbindung entlassen und außerdem fehle eine preisdämpfende Leerstandsreserve. Statt dessen sei die Lage am Berliner Wohnungsmarkt „angespannt, wie schon lange nicht mehr“. Neben den Aussiedlern sei die gewachsene Kaufkraft für die aktuelle Wohnungsnot verantwortlich, erklärte Schmoll. 1993 könne sich das Problem erneut verschärfen, weil dann vermehrt Zuzüge aus EG -Ländern zu erwarten seien.

Mit dem Bau teurer Sozialwohnungen sei das Problem übermäßig steigender Mieten nicht zu lösen, bemängelte der Mieterverein. Er forderte deshalb gestern neue gesetzliche Regelungen. Bei Neuvermietungen müsse sich die Miete am Mietspiegel orientieren. Auch das in Berlin bis 1991 geltende Verbot, bei Neuvermietungen mehr als zehn Prozent aufzuschlagen, sei nicht praktikabel. Angesichts der derzeitigen Wohnungsknappheit könnten Vermieter „Mondmieten“ verlangen. Zweitens will der Mieterverein Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverhältnissen generell auf jährlich fünf Prozent begrenzen. Bislang gilt dies nur in Berlin, allerdings nur für Altbauwohnungen und befristet bis 1994.

Drittens soll nach Meinung des Mietervereins die Vergleichsmiete unter Einbeziehung aller Mieten ermittelt werden. Wenn, wie seit 1982 bundesweit, nur Neuabschlüsse und die erhöhten Mieten der drei letzten Jahre berücksichtigt würden, komme es rasch zu einem „kräftigen Mietsprung“. Schließlich will der Mieterverein den Mietspiegel künftig als Hauptbeweismittel für Prozesse absichern.

Der Senat sei in der „politischen Verantwortung“, diese Gesetzesänderungen in Bonn anzugehen, erklärte Mieterverein -Chef Vetter gestern. Weil die genannten Probleme auch in westdeutschen Ballungsgebieten aufträten, müßten die Neuregelungen bundesweit gelten. Der Deutsche Mieterbund als Dachverband habe jedoch noch keine Initiative ergriffen, räumte Vetter ein. Skeptisch war gestern Gerhard Eichmann von der Berliner Konkurrenzorganisation Mietergemeinschaft. Der Deutsche Mieterbund sei zu sehr vom rechten SPD-Flügel dominiert, um derartige Initiativen zu ergreifen.

hmt