Bewaffnetes Auge

■ Südafrikanische Gesichter, Kleines Fernsehspiel, ZDF, Do., 16.8., 22.10 Uhr

„Wir wissen nicht viel über Südafrika“, raunt die Stimme der Fernsehansagerin wie abwiegelnd, aber dann erfahren wir doch etwas aus dem Film „Südafrikanische Gesichter“ der Johannesburger Filmwerkstatt 'Varan‘.

'Varan‘ heißt ein Filmförderungsprojekt, das seit einigen Jahren vom französischen Außenministerium in den Ländern des Trikont unterstützt wird. Seit 1985 existiert in Zusammenarbeit mit der Universtität Wits eine dieser Filmgruppen auch in Johannesburg; gegenwärtig besteht sie aus zwölf jungen FilmemacherInnen, geschlechtermäßig fifty -fifty quotiert, die Hautfarbe spielt keine Rolle. Die Mischung ist spannend; in ihr liegt ein Teil der subversiven Brisanz dieser Gruppe, der es gelingt, uns einen tiefen Einblick in das auseinanderklaffende Apartheidssystem zu verschaffen; ihre Kameras registrieren aufmerksam und sind in den Vorstadtslums der Schwarzen ebenso präsent wie in den Villen weißer Rassisten.

Völlig unspektakulär hat sich das „bewaffnete Auge“ als Wahlkampfbegleiter eines „Nationalen Partei„-Kandidaten ins weiße Wohnzimmer geschlichen und wohnt dem Stimmenfang bei einer Ansammlung von gestandenen Altrassiten bei: „Ich würde sie alle lieber erschießen“, krakeelt ein tattriger Greis, und Persil- und Senilköppe, in denen nur ein toter Neger ein guter Neger ist, nicken zustimmend. „Ich bin so aufgeregt“, flötet hingegen die Hausfrau, denn gleich wird Mr. Botha höchstselbst zum Kaffeekränzchen erwartet. Der publicity beflissene NP-Vertreter stellt ihm das Filmteam vor und bringt den obersten Rassisten sogar dazu, sich vor der Kamera als Lübke, als Blödian wieder Willen zu gebärden: „Ich weiß gar nicht so genau, wo ich bin, aber hier bin ich bei Freunden...“

„Sie sind geschaffen für den Terrorismus, weil sie nicht wissen, was ein anständiges Leben ist.“ Diese wohlmeinende Erkenntnis eines „gemäßigten“ Südafrikaners bezieht sich natürlich nicht auf die „Sieg Heil!„-Gröhler, deren gebrochenes Hakenkreuz auf ihren Fahnen die ungebrochene Blut-und-Boden-Ideologie verrät; ein Vorsänger deklamiert das „Leid der Weißen“, während ihr Führer über die „Mission der Buren“ sinniert - die ultrarechte Opposition, die sogenannte „Afrikanische Widerstandsbewegung“ in Aktion.

Es wirkt befreiend, nach dem Auftritt der Faschisten wirkliche Menschen zu sehen, die reden, ohne Sprechblasen zu spucken, die lachen, singen und tanzen, ohne vor selbstgerechtem Pathos zu zerfließen. Beinahe wirkt es befremdend, mit welcher Gelassenheit Schwarze ihre alltägliche Repression ertragen, ohne den Kampf dagegen aufzugeben. Der Mann, der grinsend von seiner bevorstehenden Zwangsumsiedlung erzählt; die Frau, die ihr gerade von einem Bagger zu Staub geplättetes Haus mit lachender Stimme kommentiert - in ihren Gesichtern, ihren Augen liegt ein Optimismus, als stünde bereits morgen die Befreiung an. Selbst die illegale Versammlung des ANC ist wie ein Fest aufgezogen und erweckt zunächst nicht gerade den Eindruck eines Angriffs zur „totalen Zerstörung des Systems“. Illusionen aber macht sich niemand, jede/r weiß, daß das Ende der Apartheid „mit Blut und Flammen bezahlt wird“.

DOA