„Schlimmer, als in Rhein und Elbe“

■ Ergebnis einer mehrjährigen Studie Bremer Wissenschaftler: Der Grund der Unterweser ist hochgradig mit Schwermetallen verseucht / Cadmium hat sich auch in Pflanzen und Tieren angereichert / Interview mit dem Wasserökologen Michael Schirmer

Zwei Jahre lang, von 1984 bis 1986 hat eine Gruppe Bremer Wissenschaftler um den Gewässerökologen Michael Schirmer den Zustand der Unterweser zwischen Weserwehr und Bremerhaven untersucht. Finanziert wurde das Forschungsvorhaben mit 600.000 Mark aus der Kasse des Bundesforschungsministeriums. Jetzt wurde die Auswertung der 100.000 Messungen von Sedimenten, Krebsen, Algen und Fischen vorgestellt.

taz: Zu welchen Ergebnissen seid Ihr gekommen?

Michael Schirmer: Wir haben in den Schwebstoffen der Weser und in den Sedimenten über zwei Jahre sehr genau nachgeschaut, wie die Belastung mit Blei, Cadmium, Nickel und Zink aussieht. Und wir haben feststellen müssen, daß die Schwermetallbelastung im Vergleich zu einem unbelasteten Sediment um das 5 - 50fache angereichert ist. Weserspezifisch ist insbesondere die extrem hohe Cadmium -Belastung. Und das Cadmium wird nach dem Quecksilber als das zweitgefährlichste Schwermetall angesehen.

Ist das auch durch die Untersuchung von Krebsen, Algen und Fi

schen bestätigt worden?

Die Schwermetalle finden sich in erheblichen Mengen auch in allen von uns untersuchten Tieren und Pflanzen. Das bedeutet, daß die

Schwermetalle in der Unterweser biologisch hochgradig verfügbar sind. Die werden von Organismen aufgenommen und angereichert, wahrscheinlich bis zu Kon

zentrationen, die bei den Tieren Schäden verursachen.

Warum ist denn die Weser im Vergleich zu Elbe und Rhein stärker mit Schwermetallen belastet?

Elbe und Rhein haben ihre Sonderprobleme. Aber für die Weser ist besonders schwierig, daß in ihrem Einzugsgebiet alte Bergbaugebiete des Harzes liegen. Und diese werden vom Niederschlags-und Grundwasser ausgelaugt. Das nimmt sogar noch zu, da durch den sauren Regen Schwermetalle noch besser und schneller in Lösung gehen.

Da kann man nichts machen?

Doch. Das ist eine typische Altlastenproblematik. In Wales zum Beispiel versucht man das durch Abdeckungen und Fanggräben in den Griff zu bekommen. Das ist sehr aufwendig. Was trotzdem noch heraussuppt, muß gesondert gefangen und aufbereitet werden. In Niedersachsen gibt es aber meines Erachtens noch keine konkreten Vorhaben.

Ihr habt jetzt genauer belegt, daß die Weser eine Kloake ist. Gibt das neue Hinweise für die Politik, was zu tun ist?

Du sagst so locker, daß die Weser

eine Kloake ist. Im nationalen Rahmen wird aber immer nur über Rhein und Elbe gesprochen, weil die einfach mehr Wasser führen. Deshalb wird die Nordsee sicherlich durch Rhein und Elbe stärker belastet. Wenn ich aber die Weser als Lebensraum betrachte, dann stelle ich fest, daß das schlimmer aussieht, als bei Rhein und Elbe.

Welche Forderungen ergeben sich daraus?

Es muß das Altlastenproblem im Harz und im Umland angegangen werden. Auch die Großindustrie, zum Beispiel VW und auch Großstädte wie Hannover müssen was tun; die entwässern ja auch in die Weser; natürlich auch die Großindustrie im Bremer Raum.

Klöckner verweist doch mit stolz darauf, wieviel man für den Umweltschutz getan hat.

Da ist auch erheblich was passiert. Wenn man aber genau hinguckt, sieht man, daß Klöckner so einen riesigen Wasserdurchsatz hat, daß sie zwar mit den Konzentrationen ziemlich niedrig liegen, aber das läppert sich mit den riesigen Mengen Wasser, das die jeden Tag durchjagen.

Ist es eine Illusion, daß die Weser wieder ein Fluß werden könnte, aus dem Menschen Trinkwasser beziehen?

Nein, das ist keine Illusion. Wenn wirklich durchgreifend saniert würde - und dazu würde natürlich auch gehören, daß die Salzbelastung weggenommen wird, daß die kommunalen Kläranlagen weiter ausgebaut werden, und auch, daß die Kanalisierung der Weser zurückgenommen wird - wenn das passiert, könnte man erwarten, daß die Weser in absehbarer Zeit eine Wasserqualität hätte, die den Bedürfnissen des Menschen entspricht.

Aber der Trend geht in die andere Richtung. So wird jetzt die Mittelweser ausgebaut.

Ja, da haben wir einen zerstörerischen Trend. Während man sagen muß, daß sich die Abwassersituation verbessert hat. Es fehlt aber, daß sich auch auf dem Produktions - und im Verbraucherbereich ein neues Verständnis durchsetzt.

Davon sind wir weit entfernt?

Da sind wir noch verdammt weit davon entfernt.

Fragen: Holger Bruns-Kösters