„Das Problem ist angedacht“

■ Eine unmoderne Veranstaltung: Parteienvertreter diskutierten mit Handelsvertretern über die Wirtschaftspolitik nach den Abgeordnetenhaus-Wahlen / Vermittlungsmonopol der Arbeitsämter beenden? / Sie vermitteln zu langsam und zu schlecht

Einem Konservativismus, wie er in den siebziger Jahren üblich war, hängen Berlins selbständige Handelsvertreter nach - das war der Begrüßungsansprache von Joachim Hammer deutlich zu entnehmen. Der Vorsitzende des „Wirtschaftsverbandes der Handelsvertreter und Handelsmakler in Berlin e.V.“ referierte über Unternehmer in der sozialen Marktwirtschaft. Da war viel von der Vorherrschaft der Gewerkschaften in den Medien die Rede, und davon, daß die Bürger zu wenig über die Leistungen der Unternehmer wüßten. Hammer rechnete sogar wieder vor, wieviele Gewerkschafter und wiewenig Selbständige im Bundestag sitzen - alles noch Parolen aus der Zeit der sozialliberalen Koalition und umso erstaunlicher bei einem Berufsstand, von dem wenn schon keine hanseatische, dann doch zumindest eine gewisse metropolitane Modernität zu erwarten gewesen wäre.

Dieser Verband nun hatte Vertreter der vier Parteien zum Wahl-Gespräch geladen, und mehr als hundert seiner 500 Mitglieder waren ins Rathaus Schöneberg gekommen. Thema: Wirtschaftspolitik nach dem 29. Januar 1989. Joachim Hammer machte keinen Hehl daraus, daß ihre Anliegen bei der jetztigen Stadtregierung gut aufgehoben seien: schließlich habe es Elmar Pieroth, einst einer der ihren, zum Wirtschaftssenator gebracht.

Sorgen haben die Handelsvertreter dennoch. Die Diskussion beschäftigte sich überwiegend mit den Arbeitsunwilligen und dem Arbeitskräftemangel, den die Branche beobachte nicht nur bei Facharbeitern, sondern sogar bei Ungelernten. Herwig Haase, CDU-Abgeordneter und Wirtschaftswissenschaftler, erntete heftigen Applaus, als er die Arbeitsämter kritisierte, die zu langsam und zu schlecht vermitteln würden. Haase und auch sein FDP-Kollege Otto Hoffmann sprachen sich dafür aus, das Vermittlungsmonopol der Arbeitsämter abzuschaffen. Unter dem Gelächter der Vertreter hatte zuvor der SPD-Vertreter Neumann erklärt, daß es sehr wohl genügend Arbeitslose gebe, die auch arbeiten wollen.

Vor diesem Auditorium, in dem für Sozialdemokraten wie Alternative wohl kaum eine Stimme zu holen war, erntete nur der AL-Kandidat Bernd Köppl einen Achtungserfolg. Der buntgekleidete Arzt hatte sich bei den Nadelstreifen für die Einladung mit einem lieben „Ich finde das toll, daß wir als Gesprächspartner akzeptiert werden“ bedankt. Nachdenkliches Kopfnicken erntete Köppl, als er um Verständnis für demoralisierte Langzeitarbeitslosen warb: „Ich kenne die Leute ja auch, wenn sie besoffen sind.“

Ein kleines Wahlversprechen gab der Liberale Hoffmann den Handelsvertretern, die über den Mangel an Grundstücken und Lagerplätzen klagten, mit auf den Weg: Neue Flächen werden in der begrenzten Stadt vielleicht doch zur Verfügung gestellt. Eventuell auch subventioniert - „das Problem ist angedacht.“

diba