Geisel-Ausschuß läuft ins Leere

■ Senat gibt dem Leiter des Sondereinsatzkommandos keine Aussagegenehmigung für die öffentliche Sitzung / Kripo-Mann Mordhorst blockt alle Fragen ab / SPD auf der Suche nach Meyer-Entlastung / Grünem Thomas werden die Fragen zensiert

Soviel scheint klar: Der Einsatzleiter Peter Möller hat den Führungsstab der Polizei nicht alarmiert, wie es die Dienstvorschrift verlangt. Und weiter: Die leitenden Beamten, die sich nach und nach zum Teil ohne Auftrag im Führungsstab einfanden, wurden von Möller geschnitten. Der ver

ließ sich lieber auf den kurzen Austausch mit den Verbindungsleuten zu den „Kräften vor Ort“ und auf das, was er am Funktisch erfuhr.

Fünf Tage hat der Untersuchungsausschuß Geiselnahme sich jetzt schwerpunktmäßig mit der Organisation im Polizeihaus

beschäftigt, hat sich noch einmal im Detail Pech und Pannen erzählen lassen. In der kommenden Woche müssen noch Ex -Senator Meyer, Neu-Senator Sackuth und Bürgermeister Wedemeier berichten, was sie im Lagezentrum zu suchen hatten, dann ist die erste Anhörungsrunde abgeschlossen.

Bislang ist nicht erkennbar, daß dieser Untersuchungsausschuß ähnlich konsequent und genau wie der St.-Jürgen-Ausschuß arbeiten wird. Und das liegt nicht nur daran, daß sich die Zeugen Polizeibeamten bisweilen geschickt der Antwort entziehen. Es liegt auch an der Rollenverteilung im Ausschuß. Denn anders als im St.-Jürgen -Ausschuß steht dem Vorsitzenden Kudella kein akribisch nachfragender Stellvertreter zur Seite. Der SPD ist das Bemühen, den genauen Sachverhalt zu erarbeiten, jedenfalls nicht besonders anzumerken. Ein Beispiel aus dem gestrigen Verhandlungstag.

Da stand der Kripo-Mann Eckhard Mordhorst dem Antwort Rede und Antwort, oder besser: Er ließ den Ausschuß deutlich spüren, daß die Vorgänge im Lagezentrum die Parlamentarier nichts angehen. „Das ist eine rein hypothetische Diskussion“, „Mir fehlt hier jedes Verständnis“, „diese Frage müssen Sie Herrn Möller stellen“ - als Kudella schließlich den Versuch aufgab, Mordhorst zu konkreten Antworten zu bewegen, kam Lothar Koring (SPD): Ob den dem Herrn Mordhorst Handlungen der anwesenden Politiker aufgefallen seien. Ja, sagt Mordhorst. Gehandelt habe der Bürgermeister. Der sei zu den Angehörigen der Geiseln gefahren. Und sonst? „Sie haben das eine oder andere Wort gewechselt.“ Niemand fragt : „Welche Worte?“ Statt dessen Koring: „Sie haben nicht gestört?“ Mordhorst: „Nein.“ Koring: „Danke schön.“

Andere Beamte, die williger über die schlechte Zusammenar

beit im Lagezentrum Auskunft geben, fragt Koring immer: „Warum haben Sie nicht remonstriert?“, sprich bei Möller Einwände erhoben. Die Schlußfolgerung liegt in der Luft: Wenn die Beamten erkannte Fehler nicht direkt bemängeln, wie kann dann die Einsatzleitung etwas ändern oder gar der Senator diese Unzulänglichkeiten verantworten?

Ein gewiefter Profi-Befrager, ein Kripo-Mann, ist für einen Untersuchungsausschuß ein harter Brocken. Um so unverständlicher, wenn Frager abgeblockt werden, sobald sie gerade einen Ansatzpunkt gefunden haben. So ging es dem Grünen Martin Thomas, als er Mordhorst zu Vorkommnissen in Huckelriede befragen wollte. „Ich verlange Unterbrechung“, fuhr Koring dazwischen. Der Grund: Der Untersuchungsausschuß hatte verabredet, zunächst ausschließlich die Einsatzorganisation zu erfragen, ein Abmachung, an die sich auch

andere Ausschußmitglieder nicht gehalten hatten, ohne daß dies kritisiert worden wäre.Thomas aber wird das Wort abgeschnitten, die Sitzung darf ohne Unterbrechung weitergehen.

Ein anderer brauchte gestern gar nicht aussagen. Überraschend legte der SEK-Mann Herbert Jager, in der Geiselnacht Verbindungsmann im Lagezentrum, dem Untersuchungsausschuß einen Senatsbeschluß vor. Danach darf er lediglich in nichtöffentlicher Sitzung aussagen. Ursprünglich war zwischen Senat und Ausschuß verabredet worden, daß lediglich verdeckt ermittelnde Beamte der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Davon kann bei Jager keine Rede sein. Der Ausschuß will jetzt noch einmal mit dem Senat reden, wenn das nicht hilft, die Parlamentarische Kontrollkommision der Bürgerschaft um eine Entscheidung bitten und möglicherweise dann ein Gericht anrufen.

Holger Bruns-Kösters