: Nationale Koalition in Israel unter Druck
Annäherung zwischen USA und PLO läßt Israels Arbeiterpartei und Likud-Block zusammenrücken / Gemeinsamer Plan sieht lokale Autonomie der PalästinenserInnen in besetzten Gebieten vor / Koalitionsverhandlungen der beiden Parteien vor dem Abschluß ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Israels Außenminister Peres und Ministerpräsident Schamir versuchen zusammen mit anderen Führern der Arbeiterpartei und des Likud-Blocks, möglichst rasch eine politische Offensive zu starten, die den amerikanischen Dialog mit der PLO „in den Schatten stellen“ oder zumindest von ihm ablenken soll. Weiterhin wollen sie zeigen, daß Israel nicht sprach- und politiklos ist nach den dramatischen Entwicklungen dieser Woche, die Israel tatsächlich völlig aus dem Konzept gebracht haben.
Grundlage für den von Schamir und Peres ausgearbeiteten Plan bilden die sowohl von der Arbeiterpartei als auch von Likud in der Vergangenheit vorgebrachten Ideen einer lokalen Autonomie für PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten, die weiterhin unter Israels Herrschaft bleiben sollen.
Nach Ansicht Schamirs stellt dies eine auf das Camp-David -Abkommen (1978) zurückgehende Lösung dar und weicht demnach nicht wesentlich von den Vorstellungen des Likud ab. Bei der Arbeiterpartei kam dieser Vorschlag zuletzt wieder im Wahlkampf auf - im Rahmen eines Plans, der sowohl darauf abzielte, den Aufstand der PalästinenserInnen, die Intifada, zu beenden, als auch eine alternative Palästinenserführung unter israelischer Besatzung zu küren, die mit oder neben einer jordanischen Delegation zukünftige Verhandlungen mit Israel führen kann. Damit soll die PLO umgangen werden, während der territoriale Status quo auf Jahre hinaus unverändert bliebe.
Peres hat also seine Idee für „einseitig realisierte Autonomie“ und Wahlen, die stattfinden können, wenn drei bis sechs Monate Ruhe herrscht - das heißt im Klartext: wenn die Intifada eingestellt wird - jetzt wieder in Verhandlungen mit Schamir über ein Programm für die neue „nationale“ Koalition vorgebracht. Schamir und seine Kollegen im rechten Lager halten weiterhin an der Forderung fest, daß unter keinen Umständen mit der PLO verhandelt werden darf und ein Palästinenser-Staat nicht in Frage kommt. Auch andere Lösungen, die einen Rückzug aus den biblisch-historischen Gebieten Groß-Israels bedeuten, lehnt der Likud ab. Da Schamir die nächste Regierung bildet, muß Peres eine Kompromißlösung finden, wenn er die Arbeiterpartei zurück in eine Koalition mit dem Likud führen will.
Schamir andererseits braucht jetzt dringender denn je seine Arbeiterpartei-Partner in der Regierung. Denn eine kleine Koalition mit den religiösen und radikalen Rechtsparteien ist den bevorstehenden Aufgaben nicht mehr gewachsen und würde sehr bald zusammenbrechen. Sie wäre nicht in der Lage, die internationale Isolation, in die Israel geraten ist, und die politischen Stürme des kommenden Jahres zu meistern: Der Abgrund zwischen den Prinzipien und Vorstellungen der chauvinistischen Parteien und der neuen Wirklichkeit ist unüberbrückbar geworden. Keine der Veränderungen des vergangenen Monats und der vergangenen Woche, keine der Resolutionen der Vereinten Nationen in Genf sind für die rechten Parteien in Israel akzeptabel, und deshalb ist von rechts auch keine machbare politische Konzeption zu erwarten.
Während Peres, Rabin und andere Kollegen in der Regierung auf jeden Fall an der Macht bleiben wollen und hoffen, noch an diesem Wochenende mit Schamir übereinzukommmen, damit eine neue Regierung gebildet werden kann, versucht die friedensorientierte Opposition innerhalb der Arbeiterpartei und bei den linken Oppositions-Parteien Peres davon zu überzeugen, daß die Arbeiterpartei jetzt eine alternative Front für Frieden aufbauen muß, die in Neuwahlen gewinnt und an die Macht kommt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen