"Feine Herren"-betr.: "Giftgas-Deal: Ein erster Beweis" und "Neun Jahre wegen Dornier", taz vom 19.1.89

betr.: „Giftgas-Deal: Ein erster Beweis“ und „Neun Jahre wegen 'Dornier'“,

taz vom 19.1.89

Wäre es nicht angemessen, wenn diejenigen in Wirtschaft und Politik, die an der Planung und dem Bau von Giftgasfabriken beteiligt sind - und dabei tüchtig verdienen -, wenigstens ein klein wenig von diesem Produkt zu schnuppern gezwungen würden? Dieser Gedanke ist mir bereits vor Jahren gekommen, als die nach Tausenden zählenden Giftgasopfer unter den Kurden im Fernsehen und in der Presse zu sehen waren.

Mit Elan und Akribie werden die Angehörigen aus Widerstand und RAF verfolgt, ausgerechnet diese jungen Menschen, die sich eine gerechtere Welt erträumen und wünschen. Sind nicht die eigentlichen „Terroristen“ woanders zu suchen, nämlich dort, wo an Waffen und Giftgasfabriken enorm verdient wird? Sollten nicht endlich die Herren aus Industrie und Wirtschaft als Terroristen verfolgt werden, die diese Verbrechen begehen, und Politikern welche sie zu vertuschen versuchen? Stellen nicht gerade diese „feinen Herren“ die eigentliche Gefahr dar?

Hans Holzträger, Pfarrer, Taunusstein 4

betr.: „Sturm im Kabinett wegen Tornado“,

taz vom 26.1.89

(...) Wir gehen erneut nicht mehr den Weg des Friedens. Auch aus der jüngsten Geschichte scheinen unsere „Volksvertreter“ kaum etwas gelernt zu haben. Schon einmal hing an der deutschen Industrie der Vorwurf, daß sie Mörder finanziert oder mit Waffen beliefert hatten. Doch zu keiner Zeit haben sich diese „feinen Herren“ ein Geschäft durch Moral verderben lassen. Jetzt werden sie sogar erneut von unserer Regierung unterstützt, von Leuten, die „C“ für „christlich“ sich angeeignet haben.

Deutsche Beteiligung an der Chemiefabrik in Libyen, deutsche Finanzierung der „Tornado„-Lieferung an Jordanien: Bei der öffentlichen Begründung dieses merkwürdigen Treibens hat die Bundesregierung erneut gezeigt, daß ihr jegliches politische Gespür abhanden gekommen ist.

Schlimmer, dümmer und unverfrorener läßt es sich gar nicht beschreiben. Im Namen des Freihandels will man argumentieren. Denn schließlich gibt es immer noch die Verpflichtung der Bundesregierung, keine Rüstungsgüter in Spannungsfelder zu gestatten, und als Überzeugung aller Demokraten galt und gilt seit 1945 der Schwur, daß „von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf“. (...)

Geblieben ist in der Bundesrepublik eine Mentalität der Politiker wie des Monopolkapitals, die dafür sorgen, daß man sich nicht für Friedens- und Abrüstungspolitik einsetzt, sondern weit eher an jene Tradition anknüpft, die uns schon zweimal in diesem Jahrhundert ins Unheil geführt hat.

Es war einmal Herbert Marcuse, der in seinem Essay Repressive Toleranz die Verlogenheit der Herrschenden nahegebracht hat. „Im Namen von Erziehung, Moral und Psychologie entrüstet man sich laut über die Zunahme der Jugendkriminalität, weniger laut über die Kriminalität immer mächtigerer Geschosse, Raketen und Bomben - das reifgewordene Verbrechen einer ganzen Zivilisation.“ (...)

Karl Kirchner, Würzburg