Spinnennetz der Rechtskatholiken

■ Französische katholische Traditionalisten rollen Comic-Markt auf

Asterix und seine unbeugsamen Gallier mußten sich erstmals geschlagen geben, und auch Lucky Luke wurde samt seinem sprechenden Pferd an die Kandare genommen. Mit ihnen wurden Blake und Mortimer, Blueberry und selbst der verschlagene Großwesir Iznogoud von einem „Imperium“ verschlungen, das krakenartig die gesamte französisch-belgische Comic-Welt umschlingt, um sie nach der Formel „Gott, Kirche und Familie“ nach seinem Bilde umzugestalten.

Dieses düstere Bild zeichnet zumindest die der Comic-Kultur sehr aufgeschlossene Pariser Tageszeitung 'Liberation‘. Sie hat den allgegenwärtigen Angreifer in der Ampere-Gruppe ausgemacht: ein Verlag rechtskatholischer Traditionalisten, der in nur drei Jahren 45 Prozent des frankophonen Comic -Marktes aufkaufte. Sein „Motor“: der frühere Staatssekretär für Sozialpolitik Remy Montagne (71). Der agile, mit Reifenkönig Michelin verschwägerte Jurist hatte im Juli 1985 mit Freunden aus dem katholisch-traditionalistischen Umfeld die Ampere-Gruppe gegründet.

Von Geldmangel nicht geplagt, kaufte die Gruppe nach und nach 13 Comic-Verlage, Zeitschriften und Produktionsgesellschaften auf. Darunter waren Lombard (Zeitschrift 'Tintin‘), die belgische Gedit/Arc-en-Ciel, Gamma und vor allem Dargaud (70 Autoren, 1.500 Titel). Binnen drei Jahren entstand so, mit der Ampere als Partner, die Holding Medias Participations als „neue Ampere-Gruppe“. 42 Prozent des Kapitals dieser größten frankophonen Comic -Verlagsgruppe halten die katholischen niederländischen Gruppen Famedia und Cofedu, die in Personalunion geleitet werden. Weitere 36 Prozent sind in der Hand der - gemeinsam bei Ampere vertretenen - Versicherungen Malieveld (Niederlande) und Tene Rassurance (Luxemburg). Dazu kommen seit Januar 1989 die Großbank Societe Generale und die zum Michelin-Imperium gehörende BIMP, die gemeinsam von dem Brüsseler Anwalt Jacques Jonet vertreten werden. Jonet, so weiß 'Liberation‘ augenzwinkernd zu berichten, ist politischer Sekretär des CSU-Europaabgeordneten Otto von Habsburg und ließ sich von dem mittlerweile aus der katholischen Kirche ausgeschlossenen Traditionalistenbischof Lefebvre trauen.

Keiner scheint sich dem unaufhaltsamen Vormarsch der Ampere -Gruppe entgegenstellen zu können. Keiner? Doch halt - beim Zugriff auf die Kinderhefte Perlin und Triolo stieß das neue Imperium auf unerwarteten Widerstand: die katholischen Verlage Bayard und La Vie. Die französischen Bischöfe zeigten sich „beunruhigt“ von der „pastoralen Orientierung der Gruppe“ und meinten, deren Geldgeber seien nicht klar genug zu erkennen. Und das Blatt 'Temoignage Chretien‘ (Christliche Botschaft) wetterte gar gegen ein „Spinnennetz der Rechtskatholiken“.

Montagne versuchte daraufhin, das Bild wieder gerade zu rücken. In einem Brief an die Bischöfe schrieb er im Dezember 1987, seine Gruppe fördere „alles, das unseren Zeitgenossen - insbesondere den jungen - helfen kann, im Glauben zu leben und eine menschliche Würde zu erlangen, die dem Willen Gottes entspricht“. Die Mitarbeiter der von Witz, Gewalt und Sex lebenden Comic-Verlage beruhigte das jedoch nicht. Im Gegenteil: Sie fürchten, im Zuge einer „Moralisierung“ ihrer Arbeit in den Ruin getrieben zu werden.

Zur Eröffnung der 16.Comic-Messe in Angouleme versuchte die Ampere-Gruppe am vergangenen Donnerstag, die hochschlagenden Wellen zu glätten. „Die religiösen Verlage und die Comic -Herausgabe bleiben voneinander getrennt“, sagte Medias -Participations-Direktor Jean-Louis Derozier. „Lombard wie Dargaud werden ihre Unabhängigkeit und ihre Identität behalten.“ Eine „Moralisierung“ der Comics sei nicht geplant.

Die Comic-Zeichner hörten's gern. Einige Messebesucher fragten jedoch, warum die katholische Gruppe gerade an Comics Gefallen findet. Eine von 'Liberation‘ nicht in Betracht gezogene Antwort gaben sie gleich mit: Der französische Comic-Markt wuchs in den vergangenen Jahren jährlich um satte 25 Prozent. Comics brachten 1987 rund 343 Millionen Franc (105 Millionen Mark) in die Kassen und rangieren damit gleich hinter Kunstbüchern.

Hans-Hermann Nicolei (dpa)