Professorale Stille: Woher?

■ 1974 und 1977 gingen Bremer ProfessorInnen mit Manifesten gegen Isolationshaft und für Gedankenfreiheit des Mescalero an die Öffentlichkeit, 1989 ist Stille. Warum?/ Eine kleine Umfrage

Die zweite der für humanere Haftbedingungen streikenden RAFlerInnen ist ins Gefängniskrankenhaus verlegt worden, zwischen Hungerstreikenden und politische Verantwortlichen ist unheimliche Stille ausgebrochen, nur unterborchen vom Vorschlag der AL, die Möglichkeit einer großen Gruppe in Berlin anzubieten. Jede Seite wartet auf ein Angebot der anderen Seite.Oder auf den ersten Toten. Das Lager derer, die auf weiterem Diskurs und humanen Haftbedingungen bestehen, ohne sich politisch mit der RAF irgendwie zu identifizieren,

ist klein. Aus Bremen haben den Osterappell Pfarrer Albertz und die Journalistin Margot Overath unterzeichnet.

Zur Zeit des ersten RAF-Hungerstreiks, 1974, haben 40 Bremer HochschullehrerInnen, von U.K. Preuß bis Ronald Mönch, von Rudolf Hickel bis Inge Buck, im Weser-Kurier eine „Erklärung zum Hungerstreik politischer Gefangener“ veröffentlicht, um auf einen „Sachverhalt hinzuweisen, über den die Presseorgane in der BRD bislang so gut wir gar nicht berichtet haben“: die persönlichkeitszerstö

rende Wirkung der Sonderbehandlung auf dieRAF-Häftlinge. Sie verlangten deren sofortige Aufhebung und -Katharina Hamamerschmidt war an einem zu spät erkannten Tumor gestorben - daß Häftlinge vonÄrzten ihres Vertrauens werden dürften. Im Haupt-RAF-und-Staats-Terrorjahr 1977 verteidigten wiederum Bremer HochschullehrerInnen die Freiheit der Presse und der, auch gewaltphantasierenden, Äußerung. In öffentlicher Erklärung und öffentlichen Straßenaktionen. 1989 hört man nichts von ihnen, wie kommt das?

Die erste der UnterzeichnerInnen der Erklärung von 1974, die ich erreiche, Dorothea Brockmann, hat gerade einen Appell an die JustizministerInnen unterzeichnet, die RAF -Forderungen zu erfüllen. Sabine Klein-Schönnefeld, eine seiner InitiatorInnen, hat ihn an 40 Bremer HochschullehrerInnen verteilt, 7 haben unterschrieben, allerdings noch 33 weitere Personen von „außerhalb“. Den spärlichen Uni-Rücklauf erklärt sich Klein-Schönnefeld mit der immer noch geltenden Identifizierung von Isola

tionskraftkritikern mit der RAF.

Ein Muster, das Brockmann gerade aufgebrochen sieht, besonders durch die Aktionen der Familie des Opfers, von Braunmühl. Das sei das Neue an der jetzigen Situation, könne sich aber schnell wieder ändern. Christian Marzahn („OH! Das ist ein delikates Thema!“), ein weiterer Unterzeichner von 1974 und heute Konrektor, sieht eine „erfreulich breite Diskussion, wo vorher das Tabu herrschte“. „An den Haftbedingungen muß sich was bewegen,„sagt er und daß die italienischen Erfahrungen belegen, daß das auch möglich ist. Der Aufruf ist bis zu ihm nicht gekommen. Ob er einen unterzeichnen würde? Das käme auf den Text an, sagt er. Nach 1974 sei immerhin der „Deutsche Herbst“ 1977 gewesen. Entscheidend wichtig sei für ihn geworden, die humane Seite strikter von der politischen zu trennen, sie „strikt auseinanderzuhalten mit der aberwitzigen Orthodoxie der RAF -Position.“ Daß ihn der Appell Klein-Schönnefelds sowenig erreicht hat, wie der Bremer Aufruf, der vom Hungerstreikkommitees ausgegangen

ist und den auch einige Hochschullehrer unterschrieben haben, ist kein Zufall. Beide zirkulierende Aufrufe entsprechen nicht dem, was Marzahn nennt, ein „großes Bedürfnis festzustellen, wo Trennungen sind.“

Holger Heide teilt das nicht. Unterzeichner von 1974, hat er auch 1989 den Aufruf des Hungerstreikkomittees unterzeichnet. Die Tatsache, daß von den Hochschullehrern nichts ausging, wird für ihn durch diese Initiative von „anderer Ebene“ wettgemacht. Das Spektrum derer, die sich gegen die Haftbedingungen wehren, sei viel größer geworden, ginge bis zur DKP und in die SPD hinein. „Das wäre noch von ein paar Jahren unmöglich gewesen.“

Nein, Thema sei der Hungerstreik unter den Kollegen nicht. Überhaupt gäbe es an der Universität eine politisch diskutierende Öffentlichkeit nicht, sowenig wie außerhalb'versucht Dorothea Brockmann sich zu erklären, woher die vergleichsweise Ruhe an der Universität der 68er -Profs kommt.

Uta Stolle