Besetzer und Besitzer: Eine Front!

■ Besetzer drohen Kreuzberger AL-Baustadträtin Eichstädt / Oranienstraße 192 mit Eichstädts Zustimmung gestern geräumt / Eigentümergesellschaft hatte Räumungsbegehren verweigert

Neue Drohungen gegen die Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt-Bohlig enthalten Flugblätter, die die Polizei im gestern geräumten Haus Oranienstraße 192 gefunden hat. Nähere Angaben wollte die Polizei gestern nicht machen. Bereits am Samstag hatten Anwohner des Heinrichplatzes in ihren Briefkästen Flugblätter gefunden, in denen die von der AL nominierte und am 26. April gewählte Stadträtin als „Hardlinerin“ bezeichnet wird, die „immer schon jedem Spekulanten näher“ gestanden habe als den Wohnungssuchenden. Mit „Polizeiprovokationen“ wie einer Räumung der Oranienstraße 192 fordere Eichstädt „weitere Auseinandersetzungen“ heraus. „Die Verantwortung dafür“, so das Flugblatt, „sollte sie dann auch übernehmen“.

„Wir besuchen dich“, das hätten ihr Leute aus der Besetzerszene in den letzten Wochen bereits zweimal angekündigt, sagte die Stadträtin gestern. Der ehemaligen Stattbau-Geschäftsführerin wird schon länger unterstellt, sie arbeite für das Bundeskriminalamt (BKA). Hintergrund der Legende ist der Szene-Verdacht, das BKA arbeite mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (DIfU) eng zusammen, für das die Stadtplanerin einmal ein halbes Jahr lang einen Forschungsauftrag erledigt hatte.

60 Polizisten hatten gestern am frühen Morgen die Oranienstraße 192 geräumt und dort von 16 Menschen die Personalien aufgenommen. Die Räumung werde von der AL „mitgetragen“, erklärte dazu AL-Bausprecher Michael Michaelis zusammen mit Stadträtin Eichstädt. Das Bezirksamt Kreuzberg hatte bereits am Dienstag beschlossen, das am 30. April besetzte Haus sei „ein Räumungsfall“. Im Vorderhaus sollen sechs Wohnungen instandgesetzt und modernisiert werden, im Hinterhaus ist eine Kita geplant. Der Bezirk brauche die Wohnungen dringend zur Umsetzung sanierungsbetroffener Mieter, erklärte Eichstädt gestern. Ihrer Aufforderung an die Eigentümerin, die private Gesellschaft Gesa, „unverzüglich“ mit den Bauarbeiten zu beginnen, kam diese gestern nach. Dafür müsse man den Besetzern „dankbar“ sein, meinte ein Mitarbeiter der Stadterneuerungsgesellschaft STERN.

Bisher hatte die Gesa es nicht sonderlich eilig. Obwohl alle erforderlichen Genehmigungen seit Januar vorlagen, war bisher nichts passiert. Gewartet hatte die Gesa wegen Differenzen über die Höhe der Senatszuschüsse: Bei einer Gesamtsumme von 1,6 Millionen Mark fehlten der Gesellschaft ganze 30.000 Mark. Vor fünf Jahren war das Haus schon einmal geräumt worden. Seitdem war - unter anderem weil der Senat zeitweise auf Abriß drängte - nichts passiert, das Haus stand leer.

Bausenator Nagel (SPD) hatte die gestrige Räumung beantragt, nachdem sich die Gesa geweigert hatte, ein Räumungsbegehren auszusprechen. Gesa-Chef Stober habe die Besetzer gar im eigenen Auto zu Verhandlungen ins Rathaus Kreuzberg gefahren, hieß es bei STERN. Der unter Alt -Besetzern berüchtigte Unternehmer fuhr sich damit aus der Schußlinie: Im Anti-Eichstädt-Flugblatt wird er lobend erwähnt.

hmt