Die staatliche Repression war noch nie so stark wie heute

■ Der vergangene Woche ermordete Anti-Apartheid-Aktivist David Webster über Aktivitäten von Todesschwadronen

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David Webster, der vergangene Woche ermordete Anti -Apartheid Aktivist, hat kurz vor seinem Tod einen ausführlichen Artikel über verschiedene Formen der Repression im Apartheidstaat geschrieben. Websters bislang noch nicht veröffentlichter Bericht faßt sogenannte „formelle Repressionsmaßnahmen“ zusammen - dazu gehören Verhaftungen ohne Verfahren, Verbote, Verbannungen und politische Gerichtsverfahren.

Im Detail befaßt Webster sich dann mit „informeller Repression“. Hier geht es einerseits um geheime staatliche Strukturen (das sogenannte „System des Sicherheitsmanagements“). Andererseits beschreibt Webster illegale Gruppen, die offenbar mit der stillschweigenden Zustimmung des Staates arbeiten. Dazu gehören rechte Schlägertrupps (die „Vigilanten“) und Todesschwadronen. Wir dokumentieren Teile des Berichtes, die sich mit letzteren Gruppen befassen.

Die Aktivitäten dieser Gruppen übertreten eindeutig das Gesetz, doch sie sind regierungsfreundlich oder Unterstützer der Apartheid. Vielleicht haben diese anonymen Agenten und Organisationen Verbindungen mit dem Staat oder mit ultrarechten Kreisen. Jedenfalls werden ihre Aktivitäten selten erfolgreich untersucht und die Täter selten bestraft.

Ihre Aktionen sind oft gewalttätiger als andere Formen der Repression. Eine große Zahl von Angriffen gegen Einzelpersonen und gegen Büroräume wurden in den letzten 18 Monaten verübt. Massive Bomben explodierten im „Cosatu -Haus“, dem Johannesburger Sitz der größten südafrikanischen Gewerkschaftsföderation, im „Gemeinschaftshaus“ in Kapstadt, wo verschiedene progressive Organisationen und Gewerkschaften ihre Büros haben, und im „Friedenshaus“, dem Sitz des südafrikanischen Kirchenrates in Johannesburg. Die technische Perfektion der Bomben, ihre Größe und die professionelle Platzierung (an strukturellen Schwachpunkten der Gebäude) läßt auf eine Verbindung mit Militär oder paramilitärischen Kreisen schließen.

Entführungen von und Attentate gegen Anti-Apartheid -Aktivisten dauerten 1988 unvermindert an. Attentate sollen die Opposition gegen die Regierung kontrollieren, wenn alle anderen Methoden, wie Verhaftung ohne Gerichtsverfahren oder Einschüchterung, erfolglos sind. Nur ausgesprochen selten werden solche Fälle gelöst.

Attentate fanden sowohl innerhalb der Grenzen Südafrikas als auch im Ausland statt. Wenn Angriffe über die Grenze durchgeführt werden, sind die Täter meist deutlich identifizierbar als Sondertruppen des südafrikanischen Militärs. Die südafrikanische Regierung dementiert ihre Beteiligung nicht. Doch es finden auch zahlreiche Attentante statt, die von geheimen Gruppen, vermutlich von Todesschwadronen, durchgeführt werden. Diese waren früher als „Z„-Gruppen bekannt, obwohl ihr Name sich inzwischen wohl geändert hat. Vor kurzem wurden Detektive des Drogendezernats des Mordes angeklagt. Einer der Angeklagten verteidigte sich, indem er seine Aktivitäten verglich mit denen von Mitgliedern einer Attentatgruppe von Sicherheitspolizisten, die in Swasiland aktiv waren und die er kannte. Auch das Attentat an der ANC-Vertreterin in Paris, Dulcie September, ist ein Fall, in dem über die Beteiligung von südafrikanischen Sicherheitskräften spekuliert wurde.

Die Entwicklung von rechten Schlägertrupps wurde zuerst vor zwei Jahren beobachtet. Dabei handelt es sich um eine grundlegende Veränderung im Denken der Polizei bei dem Versuch, die Townships zu kontrollieren. Die Polizei läßt den „Vigilanten“ und anderen „Contra„-Gruppen freien Lauf. 1985 wurde 66 Prozent aller Menschen, die bei Unruhen in den Townships ums Leben kamen, von der Polizei getötet. 1987-88 war die Mehrheit der Toten Opfer von „Gewalt Schwarzer gegen Schwarze“. Diese von Regierungssprechern geschaffene Formulierung versucht den Eindruck zu schaffen, als spielten der Staat und sein Sicherheitsapparat eine friedenschaffende Rolle, während die schwarze Gemeinschaft sich selbst zerreißt. Doch diese Gruppen spielen dieselbe Rolle der Zersplitterung und Störung progressiver Gruppen, die bisher von der Polizei gespielt wurde.

Eine Grafik der Zahl der Toten bei gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Townships zeigt, daß die Zahl der Toten durch Polizeieingriffe zurückgeht, aber die Gesamtzahl der Toten nicht entsprechend abnimmt. In manchen Gebieten, in der Provinz Natal zum Beispiel, hat sie sogar zugenommen. Doch die Opfer sind meist die gleichen: Mitglieder von Organisationen, die zur demokratischen Bewegung gehören, und Gewerkschafter. Aber die Täter haben eine neue Identität - sie sind Schwarze. Dies ist eine Form der „Repression durch Stellvertreter“ („surrogate repression“). Die wichtigste derartige Gruppe ist die Inkatha-Organisation in Natal. Die Organisation folgt einer Zulustammesideologie, betrachtet Natal als ihr eigenes Reich und duldet keine anderen Organisationen in ihrem Einflußgebiet. In den letzten zwei Jahren haben Inkatha -Mitglieder sich an einer der dauerhaftesten Kampagnen der Brutalität beteiligt, die es je in Natal gegeben hat.

Die staatliche Repressionsmacht war wohl in der Geschichte dieses Landes noch nie so stark wie heute. Repression in Südafrika existiert, weil das Land unter einer Regierung leidet, die grundsätzlich undemokratisch und nicht repräsentativ ist. So regieren die Machthaber nicht mit der Zustimmung des Volkes, sondern gegen den Willen der Bevölkerung. Deshalb ist ein Ende von Verhaftungen ohne Verfahren nicht abzusehen. Im Gegenteil, alle Formen der Repression werden zweifellos noch verschärft werden.