Schewardnadse: Cheney ist inkompetent

■ Kohl glaubt an Nato-Einigung: Gespräch mit Bush „ungewöhnlich freundschaftlich“ Nato-Gipfel soll Gesamtkonzept verabschieden / Baker reist morgen nach Moskau

Washington/Bonn (dpa/afp) - Wenige Tage, nachdem US -Präsident Bush Bundeskanzler Kohl telefonisch mitteilte, daß man in der Raketenfrage hart zu bleiben gedenke, gibt sich Kohl zuversichtlich. Nach der gestrigen Sitzung des CDU -Vorstandes teilte er der Presse mit, er glaube, daß auf dem Nato-Gipfel Ende Mai in Brüssel ein von allen Beteiligten getragenes Gesamtkonzept für Sicherheit und Abrüstung verabschiedet wird. Sein Telefongespräch mit Bush sei entgegen allen Pressemeldungen „ungewöhnlich freundschaftlich“ und „herzlich“ verlaufen. Positiv nahm Kohl jüngste Äußerungen des amerikanischen Verteidigungsministers Richard Cheney auf, eine erfolgreiche Außenpolitik des Westens könne zur Wiedervereinigung Deutschlands führen. Er finde es erfreulich, wenn auch maßgebliche Repräsentanten der USA auf den Willen der Deutschen hinwiesen.

Ganz anders hingegen dürfte der sowjetische Außenminister Schewardnadse darüber denken. In einem Interview mit der US -Wochenzeitung „Time Magazine“ nannte Schewardnadse frühere Äußerungen Cheneys „inkompetent“ und „unseriös“. Der US -Verteidigungsminister hatte vergangene Woche mehrmals Zweifel am Erfolg der gegenwärtigen Reformpolitik in der UdSSR geäußert, um Abrüstungsinitiativen im Vorfeld abzublocken. In dem bisher ersten Interview mit einer US -Zeitschrift sagte Schewardnadse, der Umbau der sowjetischen Wirtschaft werde gelingen, weil es keine Alternative gebe. Präsident Bush verstehe die Situation besser, wenn er sage, Perestroika sei ein unumkehrbarer Prozeß. „Wir hatten keine Alternative und wir haben keine.“

Unterdessen ist US-Außenminister James Baker unterwegs nach Moskau. Er wird nach einem Zwischenstopp in Helsinki am Mittwoch und Donnerstag mit Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow und Außenminister Eduard Schewardnadse den nach dem Regierungswechsel in Washington unterbrochenen amerikanisch-sowjetischen Dialog wieder aufnehmen.

Hauptthema wird nach Äußerungen aus US-Regierungkreisen die Rüstungskontrolle. Baker will einen Termin für den Wiederbeginn der Genfer Verhandlungen über die Halbierung der Arsenale der weitreichenden strategischen Atomwaffen (START) vorschlagen. Die Palette der ständigen Themen Rüstung, Menschenrechte, regionale Konflikte und bilaterale Beziehungen - soll nach US-Vorstellungen um einen fünften Korb mit Umweltschutz, Kampf gegen „Terrorismus“, Rauschgiftschmuggel und die Ausbreitung chemischer Waffen erweitert werden. Baker wird nach seinem ersten Moskau-Trip am Freitag in Brüssel erwartet, während Schewardnadse am gleichen Tag in Bonn eintrifft.%%