Berlin: Kommissionen gegen den Krawall

Arbeitsgruppe und ein Untersuchungsausschuß sollen Vorfälle untersuchen / CDU: „Pätzold sieben Tage zu lang im Amt  ■  Aus Berlin Rita Hermanns

Der Berliner Innensenator Erich Pätzold kündigte in der gestrigen Sitzung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu den Vorfällen am 1. Mai an. Die Gruppe soll der frühere Direktor der Bereitschaftspolizei von Nordrhein-Westfalen, Kurt Gintzel, leiten. Pätzold erhofft sich von dieser „unabhängigen Persönlichkeit“ vor allen Dingen Hinweise für zukünftiges Verhalten der Polizei.

Bei einer kurzen Debatte nach einer stundenlangen Befragung im Innenausschuß waren alle Fraktionen der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum 1. Mai nicht abgeneigt. Die Motivation von Opposition und Regierungsparteien für solch ein Gremium war allerdings höchst unterschiedlich.

SPD und AL versuchten gestern nachzuweisen, daß die Polizeiführung weitgehend in Eigenverantwortung gehandelt habe. Sie äußerten Zweifel daran, daß die Polizei rechtzeitig und in genügender Anzahl eingegriffen habe. Fazit der AL-Abgeordneten Renate Künast: „Die Sitzung hat ergeben, daß die Polizei eigenständig gehandelt hat. Dabei sind Mängel aufgetreten.“ Auch der Innensenator, der am Freitag das Verhalten der Polizei verteidigt hatte, ging deutlich auf Distanz. Er möchte nun genau wissen, warum es lange gedauert hat, bis die Polizei vor Ort war, und wieviele Kräfte genau eingesetzt worden sind.

Der CDU-Abgeordnete Landowsky hielt es dagegen für erwiesen, daß die Einsatztaktik ein „Produkt der generellen Handlungsmaximen ist, die vom Innensenator vorgegeben wurden.“ Welche parlamentarischen Konsequenzen man daraus ziehe, werde die CDU im Laufe des Dienstags bekanntgeben. Innensenator Pätzold sei jedenfalls bereits „sieben Tag zu lange im Amt“. Nach seiner „unglücklichen Konzession an die alternative Szene“ gelte es in Zukunft „auf den Grundsatz der Deeskalation zu verzichten“. Das Berliner Abgeordnetenhaus wird am Donnerstag noch einmal in einer aktuellen Stunde über den 1. Mai debattieren.

„Kritische Polizisten“ stützen Senator Pätzold

Rückendeckung erhielt Innensenator Pätzold jetzt von der „Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten und Polizistinnen“. In einem offenen Brief an den Senator begrüßte gestern die neu gegründete Berliner Landesgruppe ausdrücklich die von Pätzold vertretene Einsatzkonzeption. Eine konfliktmindernde und gewaltdämpfende Aufgabenstellung sei der Polizei bereits bei den Koalitionsvereinbarungen vorgegeben worden. Trotz der verübten Straftaten und der verursachten Schäden sei der 1. Mai in diesem Sinne „auf lange Sicht ein Schritt in die richtige Richtung, da große Teile der an sich gewaltbefürwortenden Szene zum kritischen Hinterfragen von Gewalt gebracht worden sind“. Auch ein von Beginn an harter Einsatz - wie bisher üblich - hätte am Verlauf der Ereignisse nichts ändern können. Und erstmals in der jüngeren Geschichte der Stadt habe sich auch die Linke positiv über den Polizeieinsatz geäußert. Die Strategie der Deeskalation sei deshalb im Prinzip erfolgreich gewesen.