„Zimmer frei“: D-Mark für DDR-Vermieter

Immer mehr Wessis mieten sich ein / Beispiel Berlin: Alle „Mitwohnzentralen“ bieten Wohnungen im anderen Deutschland an Rechtlich verboten, aber niemand kümmert sich darum / Mieten in Ostberlin sind gegenwärtig nur halb so teuer  ■  Aus Berlin Dirk Wildt

Die Zöllner hatten aufgepaßt. Als Bernd G. mit seiner kleinen Reisetasche die Grenze von West- nach Ost-Berlin passierte, mußte er seine „sorgfältig zusammengepackte“ Wäsche ausräumen. „Wie lange wollen Sie denn bei uns bleiben?“, wurde der junge Mann von dem grauen Zollbeamten gefragt. „Zehn Tage Urlaub will ich machen, mir mal alles angucken“, antwortete der arbeitslose Maschinenbauer seinen zurechtgelegten Satz.

Die zehn Tage sind längst vergangen - Bernd G. wohnt bereits einen ganzen Monat in Berlin-Ost. Seine Sorge: „Mein Reisepaß ist durch das viele Stempeln an der Grenze bald voll.“ Der 35jährige ist einer derjenigen, die vor der Wohnungsnot in den Osten „flüchteten“. 40.000 Menschen sind in Berlin-West obdachlos, 140.000 auf Wohnungssuche. Das Ost -Zimmer (weniger als zehn Quadratmeter für 150D-Mark) hat er über eine der sogenannten „Mitwohnzentralen“ vermittelt bekommen. Die Recherche bei den Zimmervermittlungen gestaltet sich schwierig. Keine der Mitarbeiterin will erzählen, wieviele Zimmer bereits im anderen Teil der Stadt vermittelt wurden, denn die rechtliche Seite ist bisher noch ungeklärt.

DDR-Mieter dürfen nämlich gar nicht an „Ausländer“ vermieten, es sei denn für einen kurzen Aufenthalt wie Urlaub. Gesetzlich sind leere Zimmer Ostberlinern oder DDR -Bürgern vorbehalten, die suchen schließlich auch - bloß fehlt denen die nötige Valuta.

Über die Ladentische der „Mitwohnzentralen“ werden dann auch nicht nur Zimmer, sondern Wohnungen und ganze Häuser zum Mieten vermittelt, gesteht Gunnar Kleinecke, Geschäftsführer der „1.Mitwohnzentrale“ in Berlin-West. Eine möblierte Zwei-Raum-Wohnung, 75 Quadratmeter, kostet 550D -Mark im Monat. Und dann noch Superlage: Frankfurter Allee. Der Kundenkreis des 28jährigen: Touristen und Journalisten. Mit den Anbietern aus dem Osten macht Kleinecke Verträge nur mündlich und per Handschlag. Und an „die halten die sich besser als West-Vermieter an schriftliche Verträge“, so der Wohnungsvermieter. Die Miete ist allerdings halb so teuer.

Die Vermieter sind nicht nur die „Profis“, die schon früher an Touristen aus Osteuropa oder an Bauarbeiter vermietet haben. Bernd G.s Vermieterin zum Beispiel arbeitet an der Berliner Musikhochschule und will dieses Jahr das erste Mal in ihrem Leben griechischen Weintrauben entgegenfliegen. Erst wollte sie in Westberliner Treppenhäusern mit Meister Propper West-Währung zusammenwischen. Nun finanziert Gerd den „Retsina“ (griechischen Wien) in der Ägäis.

Aber nicht nur Touristen und Journalisten ziehen in den Osten - auch Studenten. 109.000 gibt es in Berlin-West. Wieviele davon „unzureichend untergebracht“ sind, kann Klaus Kittel vom Studentenwerk nicht sagen, weil es keine Registrierungspflicht gibt. Er schätzt aber, daß über tausend provisorisch bei Bekannten untergekommen sind, ohne dort ein eigenes Zimmer zu haben. Das Studentenwerk vo9n Berlin-West und der BRD hat dann auch mit Berliner Universitätsstellen, die eigene Wohnanlagen haben, Kontakt aufgenommen. Dort sollen noch Zimmer frei sein. Auch im Regionalausschuß, in dem beide Berlins und die Nachbarbezirke Frankfurt/Oder und Potsdam vertreten sind, soll in dieser Woche über eine Legalisierung der verbotenen Mietverhältnisse geredet werden.