Auch stiller Protest in Zaunnähe

■ Interview mit DDR-AKW-Bau-Direktor Karl. F. Bischof über deutsch-deutsche Zusammenarbeit beim Kernkraftwerksbau / Wie sich ein Funktionär eine Demonstration vorstellt

Karl-Friedrich Bischof ist 1. Stellvertretender Direktor des Kraftwerkbaukombinats der DDR. Er arbeitet seit 1975 auf der Baustelle in Stendal, wo ein Atomkraftwerk mit der dreifachen Leistung bundesdeutscher AKWs entsteht. Stendal liegt 260 Kilometer östlich von Bremen. Im Falle eines GAUs wäre die Hansestadt unmittelbar betroffen.

Frage: Wieviel Menschen arbeiten auf dieser Baustelle und wie weit sind die Arbeiten vorangeschritten?

Karl-Friedrich Bischof: Zur Zeit ist es so, daß etwa 8.500 bis 9.000 Menschen arbeiten. Wir bauen an Reaktorblock 1 und gleichzeitig an Block 2 des Kraftwerkes.

Was sind das für Reaktortypen?

Das sind Druckwasserreaktoren, mit einer Leistung von 1.000 Megawatt je Block.

Welche Verhandlungen führen Sie mit Siemens/KWU?

Es geht im wesentlichen darum, daß wir im Bereich des technischen Know-hows Fragen der Sicherheitstechnik und der Regeltechnik gemeinsam realisieren wollen. Dabei geht es nicht nur um Stendal, sondern insgesamt um den KKW-Bereich der DDR.

Wie sieht diese Kooperation genau aus: Was bekommen Sie, was bekommt Siemens?

Es wird hier auf der Basis eines ordentlichen Vertrages eine Leistung vereinbart, das heißt: Wir werden nicht nur technisches Know-how übernehmen und produzieren, sondern sie werden ganz konkret Leistungen realisieren.

Sie geben Siemens/KWU also einen regelrechten Bauauftrag?

Wenn Sie das so einfach formulieren wollen, ja.

Werden die laufenden Verträge mit der Sowjetunion storniert zu Gunsten der bundesdeutschen Kernenergiewirtschaft?

Nein. Zumindest bezogen auf Stendal.

Wie sieht denn das Entsorgungskonzept für die abgebrannten Brennelemente aus?

Bei uns sieht es so aus, daß wir nur Brennelemente aus der SU nehmen. Die Sowjetunion nimmt die abgebrannten Brennstäbe wieder zurück, natürlich nur solange, wie wir sie auch daher beziehen. Unsere Verträge sehen so aus, daß die SU die gesamte Entsorgung der Brenelemente übernimmt.

Was passiert denn, wenn die SU die abgebrannten Stäbe nicht mehr zurücknimmt?

Eines Tages kann alles Mögliche passieren. Was ich zur Zeit unter Vertrag habe, habe ich unter Vertrag.

Wie bereiten Sie sich auf die Demonstration am 11. März vor?

Für uns ist das natürlich absolutes Neuland. Bis vor einem halben Jahr hätte ich über diese Frage gar nicht großartig nachdenken müssen, da hätte sich das automatisch erledigt. Wir gehen davon aus, daß wir den Informationsverlust, der über Jahre gerade auch hier in der Region vorgeherrscht hat, so schnell wie möglich aufholen müssen. Also: was ist denn wirklich mit den Kernkraftwerken, was entstehen möglicherweise auch für Belastungen, was gibt es denn überhaupt für ein Restrisiko oder gibt es keins, also letztlich alle Fragen, die auch den Bürger interessieren. Wir haben für den 11. 3. abgestimmt, daß unsere Sicherheitskräfte mit den Ordnern, die die Verantwortlichen selber eingestellt haben, das absichern. Wir haben ihnen zwei große Flächen freigemacht, und wir werden ihnen die Möglichkeit schaffen, daß wir unsere Lautsprecheranlage zur Verfügung stellen, und wir werden ihnen einen Plattenwagen dahin stellen, damit die Redner erhöht stehen. Sie haben Vorstellungen, daß sie neben den Reden eine Art stille Proteste in der Nähe des Zauns machen. Auch dagegen haben wir nichts. Das wird so aussehen, daß da einige grüne Zweige und ein paar Luftballons an den Zaun gebunden werden sollen. Auch das ist abgestimmt und geordnet. Wir sind absolut nicht so, daß wir sagen: Sowas gibt es bei uns nicht. Und wir werden auch unsere Pressesprecher da haben, damit wir in einem ordentlichen Disput Fragen klären können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Fragen: Markus Daschner