Kohl will kalten Anschluß der DDR

■ BRD-Kanzler und „Allianz“ wollen Beitritt der DDR zum Grundgesetz / Keine Verfassungs-Versammlung

Bundeskanzler Helmut Kohl will die Wiedervereinigung durch den schlichten Beitritt der DDR zum Grundgesetz vollziehen und nicht über den Umweg einer verfassungsgebenden Versammlung. Ein Verfahren nach Artikel 23 des Grundgesetzes, das den Beitritt „anderer Teile Deutschlands“ vorsieht, war bisher schon von den Ministern Schäuble und Waigel befürwortet worden.

Kohl legte sich erstmals öffentlich auf einer gemeinsamen Bonner Pressekonferenz mit den drei DDR-Parteivorsitzenden der konservativen „Allianz“, die für schnellen Beitritt zum Grundgesetz eintreten, fest. Den Bürgern der DDR sei es „weitgehend egal“, erklärte Kohl, ob es eine verfassungsgebende Versammlung gibt oder nicht.

Das Verfahren nach Artikel 23GG „bietet sich an“, so bekräftigte Kohl die Forderung seiner Bruderparteien, und wies die Bezeichnung „Anschluß“ sogleich zurück. Die Angleichung des Rechtssystems der DDR werde dadurch „nicht automatisch mit einem Federstrich erledigt“. Die von den Sozialdemokraten in BRD und DDR mehrheitlich befürwortete Alternative einer verfassungsgebenden Versammlung, die von beiden Parlamenten oder durch Direktwahl bestimmt werden könnte, lehnte der Ost-CDU-Vorsitzende Lothar de Maiziere mit folgender Begründung ab: Ein derartiger Weg zur deutschen Einheit werde „Monate, wenn nicht Jahre“ beanspruchen. Die Schritte zur Wiedervereinigung, so Kohl, „sollten schnell, aber solide, nicht in Hektik“, erfolgen.

In einer Sondersendung der Aktuellen Kamera des DDR -Fernsehens hatte Kohl am Mittwoch abend ebenfalls klargemacht, daß er den Vorschlag des Warschauer Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki ablehnt, beide deutschen Regierungen sollten vor der Wiedervereinigung bereits einen Grenzvertrag aushandeln, der dann von einem gesamtdeutschen Parlament ratifiziert wird. Dieses Vorgehen hatte Bundesaußenminister Genscher als gangbaren Weg bezeichnet.

Charlotte Wiedemann