: „Notbremse“ gegen Übernahme von Stasi-Leuten
■ Beschwerden der AG Sicherheit führten zu Erfolg: Dankward Brinksmeier, Vertreter des Runden Tisches (Berlin), soll als „Regierungsbeauftragter“ dem Minister des Innere Angegenheiten „zur Seite gestellt“ werden
Dankward Brinksmeier, Berliner Studentenpfarrer bei der ESG in der Invalidenstraße und Mitglied der AG Sicherheit des zentralen Runden Tisches, wird ab heute als „Regierungsbeauftragter“ ins Ministerium für innere Angelegenheiten einziehen. Brinksmeier soll in allen Fragen, die die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit betreffen, dem Minister Lothar Ahrendt (PDS) „mit gleicher Kompetenz an die Seite gestellt“ sein. Dies sei notwendig geworden, so erklärt Brinksmeier diese Institutionalisierung von Gegenmacht im Regierungsapparat zwei Wochen vor der Volkskammerwahl, weil die Behörde „blockiert“ habe, wenn die AG Sicherheit bestimmte Informationen haben wollte. Bei der Überführung von früheren Stasi-Aufgaben ins Ministerium seien „Unregelmäßigkeiten“ vorgekommen.
Im Klartext: Der alte Apparat der Staatssicherheit hatte sein Machtmonopol mit diversen Aufgaben, die mit „Staatssicherheit“ im eigentlichen Sinne nichts zu tun hatten, abgerundet. Es gab Kripo-Abteilungen, die Stasi hatte technische Spezialaufgaben monopolisiert, Flugzeugabstürze etwa wurden seit den 80er Jahren allein von der Stasi aufgeklärt, die Stasi legte (und kontrollierte) die abhörsicheTelefonleitungen der Regierung. Solche Funktionen werden samt Fach-Personal seit einigen Wochen dem Ministerium für Innere Angelegenheiten übertragen. Nach den Vorstellungen des Runden Tisches sollen allerdings keine politischen Leitungskader auf diese Weise ins Ministerium überwechseln. Die Übernahme der Spezialisten sollte durch Vertreter der Gewerkschaft der Volkspolizei kontrolliert werden, ganze Abteilungen dürften nicht geschlosen überwechseln.
Immer wieder waren der AG Sicherheit Informationen zugespielt worden, nach denen im Ministerium nicht entsprechend den Vorgaben gehandelt wurde. Wieviele ehemalige Stasi-Leute inzwischen im Apparat des Ministeriums untergekommen sind, kann auch die AG Sicherheit derzeit nur schätzen, 3000 dürften es nach Angaben aus diesem Kreis sein. Brinksmeier wollte Details nicht nennen, meinte aber, die Vorgänge seien „schlimmer, als jeder denkt“. Damit in den Wochen bis zur Neubesetzung der Spitze des Ministeriums für innere Angelegenheiten nicht noch weiter Fakten geschaffen werden, ist Brinksmeier zwei Wochen vor der Wahl dem Minister Ahrendt an die Seite gestellt worden. Dies könne man durchaus als „Notbremse“ bezeichnen, meinte Brinksmeier auf Nachfrage der taz, es sei aber „kein Mißtrauensantrag gegen Ahrendt“.
Der 33jährige Studentenpfarrer, der im September 1989 erst bei der ESG angefangen hat, ist einer der 8 Gründer der SPD und wird in Parteikreisen als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Innenministers in einer SPD-Regierung gehandelt. In den Monaten seit dem November hat er sich in der AG Sicherheit in die Problematik der Sicherheitsapparate eingearbeitet. Als Regierungsbeauftragter wird Brinksmeier nun hauptamtlich im Staatsdienst mit Kompetenzen auf Ministerebene tätig: Wenn der derzeitige Minister Ahrendt eine Entscheidung treffen im Zusammenhang der Auflösung des früheren Stasi-Apparates treffen will, mit der der Regierungsbeauftragte nicht einverstanden ist, wird als Dritter - so Brinksmeier - der der Ministerpräsident Modrow selbst hinzugezogen.
K.W.
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