: Radio Bremen: Pleite ohne Alternative
■ Rundfunkrat stimmte einem Sparkonzept zu, das keine Perspektiven bietet / Biz Bize darf weitersenden
Die türkischsprachige Regionalsendung Biz Bize soll zumindest in diesem Jahr weiterhin in gewohnter Form über den Äther gehen. Wielange allerdings die Anstalt mit Namen Radio Bremen Hör-und Sehbares versenden kann, das ist durchaus offen. Zwar segnete der Rundfunkrat am Freitag die Sparvorschläge des Direktoriums mit Ausnahme der Biz-Bize -Streichung ab, doch keiner, der sich zu Wort meldenden Rundfunkräte war ernsthaft der Ansicht, daß mit den bisher geplanten Einsparungen der Sender dauerhaft zu retten ist.
„Wie kriegen wir die Anstalt in das Jahr 2.000“, hatte Indendant Karl-Heinz Klostermeier die Frage umrissen, mit der sich das Direktorium seit Ende Dezember herumschlägt. Einzige mögliche Antwort: Sparen, sparen, sparen. Schuld an der nahezu hoffnungslosen Situation sind die privaten Fernsehstationen, die den öffentlich-rechtlichen ein riesiges Stück vom Werbekuchen abgenommen haben. So muß Radio Bremen trotz der Gebührenerhöhung vom Januar diesen Jahres bis 1993 mit 50 Millionen Defizit kalkulieren, wenn nichts passiert. Also sind die Verantwortlichen mit dem Rasenmäher durch die
Funkhäuser gezogen. Nur die werbeträchtige Hansawelle bleibt weitgehend von Einsparungen verrschont. Kräftige Einschnitte gibt es vor allem im Kultur- und Bildungsprogramm. Weniger Eigenproduktionen, mehr Wiederholungen heißt das Motto. Aber auch beim Fernsehen, der Intendanz, der Betriebstechnik und der Verwaltung wird gespart. Erhofftes Einsparvolumen für die kommenden zwei Jahre: 5,3 Millionen. Dem Prinzip Hoffnung folgend hat das Direktorium zudem eine Einnahmeverbesserung von fünf Millionen in die Papiere geschrieben, ohne allerdings so recht begründen zu können, wie die negative Entwicklung bei den Werbeeinnahmen umgekehrt werden kann. Und auch beim Personal soll gespart werden. Bis zum Jahr 2.000 werden 44,5 der 176 freiwerdenden Planstellen nicht wieder besetzt. „Niemand weiß, welche“, kommentierte der Personalratsvorsitzende Werner Mauermann.
Ob dieser Pläne gaben sich die Rundfunkräte jedweder Coleur ratlos, aber kritisch. „Mir fehlen Perspektiven und Strukturen“ (Ilse Janz, SPD) - „Auf die dramatische Lage wird keine Antwort gegeben“ (Bernd Neumann,
CDU) - „Äußerst vage“ (Jochen Rieß, Grüne) - „Stochern im Nebel“ (Ortwin Baum, Arbeitgeber) - „Kein Konzept mit inhaltlichen Prioritäten“, (Heinz Möller, Gewerkschafter), die Schelte war einvernehmlich, aber weitgehend folgenlos. Denn dem Antrag von
Uwe Martin (Landesjugendring), dem Direktorium das Papier zum Nachbessern zurückzugeben, mochte sich die große Mehrheit der Rundfunkräte nicht anschließen.
Wenn die Worte der Hörfunkchefin Carola Sommerey ernstzu
nehmen sind, dann hätte ein neues Sparkonzept sowieso nicht anders aussehen können, als das kritisierte Alte: „Ich kann keine Alternative vorlegen“, hatte Sommerey dem Aufsichtsgremium zu Bedenken gegeben. Und: „Es gibt beim Hörfunk keine Möglichkeit,
weitere Sachmittel zu kürzen. Die Grenze dessen, was möglich ist, ist erreicht.“
Um die laufenden Kosten decken zu können, wird der Sender aber selbstgesetzte Grenzen sprengen müssen. In Zukunft sind auch die für Investitionen zurückgelegten Gelder nicht mehr tabu. Mögliche, finanztechnisch wiederum negative Folge: Die Verlegung der Sendemasten ist in Gefahr. Davon versprach sich Carola Sommerey bislang eine größere Reichweite und mithin mehr ZuhörerInnen und verbesserte Werbeeinnahmen.
Bleibt dem Sender nur die Hoffnung, daß die Ministerpräsidenten der Länder die nächste, möglichst üppige Gebührenerhöhung wie vorgesehen für das Jahr 1993 beschließen, und daß durch deutsch-deutsche Vereinigung und folgende Neuordnung des Rundfunks nicht der bislang festgeschriebene Bestandsschutz des finanzruinierten Senders erneut zur Debatte gestellt wird. Mehr als die Forderung des SPD-Rundfunkrat-Oldies Manfred Fluß, der Sender müsse seine Existenzberechtigung neu begründen, fällt für solche Fälle weder dem Rundfunkrat noch dem Direktorium ein.
Holger Bruns-Kösters
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen