Touristen, Rassisten - und Polizisten

■ Schläge und Fußtritte beim brutalen Polizeieinsatz zur Eröffnung der Tourismusbörse ITB / Momper machtlos in der Menschenkette gegen Südafrika

Mit unsanfter Gewalt beförderte die Polizei am Samstag nachmittag ApartheidsgegnerInnen aus der Südafrika-Halle der Internationalen Tourimsus Börse (ITB). Fast zwei Stunden lang hatten zuvor rund 100 DemonstrantInnen vor dem Südafrika-Stand gegen die Teilnahme des rassistischen Regimes auf der ITB auch in diesem Jahr protestiert. Doch der Polizeieinsatz war nur der Höhepunkt eines unsäglichen Verwirrspiels in mehreren Akten.

Prolog: Der Regierende Bürgermeister Momper hatte sich wie schon im Vorjahr - mit einem Plakat vor der Brust: „Kein Tourist nach Südafrika!“ demonstrativ für die FotografInnen in die Menschenkette der ApartheidsgegnerInnen vor den Messehallen eingereiht. „Meine persönlichen Hoffnungen und Träume sind enttäuscht worden. Ich empfinde das auch als persönliche Niederlage“, klagte Momper gegenüber der taz darüber, daß Südafrika auch in diesem Jahr wieder seinen touristischen Propagandafeldzug auf der ITB machen kann. „Auch als Regierender kann man nicht alles durchsetzen“, bedauerte er weiter und verwies erneut auf die rechtsgültigen Verträge, die es zwischen der Messegesellschaft AMK und den südafrikanischen Ausstellern gebe. Daß die AMK jegliche Politik von der ITB fernhalten wolle, finde er „schlicht lächerlich“.

Hauptakt: Nach der Menschenkette mit ca. 1.000 TeilnehmerInnen und anschließender Kundgebung setzte sich die Anti-Apartheid-Manifestation in den Messehallen vor dem Südafrika-Stand fort. Fast zwei Stunden skandierten rund 100 DemonstrantInnen - unter ihnen einige AL-Abgeordnete - immer wieder „Mörder und Rassisten werben um Touristen“ und „Deutsche Politiker schützen die Rassisten“. Bestialischer Buttersäure-Gestank lag in der Luft (Apartheid stinkt!); viele Schnipsel von zerrissenen Südafrika-Prospekten zierten den Boden. Hermetisch hatte das Aufsichtspersonal und die Polizei den freien Zugang zu den Ständen der drei Dutzend Südafrika-Aussteller abgeriegelt: „Nur für Fachbesucher!“

Im Laufe der Demonstration kam es immer wieder zu Rangeleien zwischen ApartheidsgegnerInnen und Polizisten. 20 Minuten vor Messeschluß schlug dann die große Stunde der Polizei in Kampfanzügen mit Helm und Visier: Sie griff sich eine Gruppe um den evangelischen Pfarrer Gottfried Kraatz und trieb sie - ohne vorherige Ankündigung - „mit ungeheuerer Aggressivität“ (Kraatz) vom Messegelände. „Ich bekam kurze harte Fußtritte vor den Knöchel und wurde mehrfach auf den Kopf geschlagen.“ Kraatz wertete das Polizeiverhalten abschließend „ganz eindeutig negativ“. Nie habe es einen Dialog zwischen Polizei und DemonstrantInnen gegeben. Die Strategie der Polizei erinnerte ihn an „Kriegssspiele“. Auch der taz-Berichterstatter wurde, obwohl sichtbar mit dem JournalistInnenakkreditierungsausweis am Revers, brachial von der Polizei aus der Halle getrieben und an der weiteren Ausübung seiner Arbeit gehindert.

Die Messeleitung hätte von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht, rechtfertigte Hans Trautmannsberger von der AMK den Polizeieinsatz. „Wir wurden von den Nachbarständen von Südafrika angerufen, die sich beängstigt gefühlt haben“ (Trautmannsberger). Die Polizei habe erst später eingegriffen, als es abgesprochen gewesen sei.

Epilog: Eine Stunde später geht der Regierende Bürgermeister Momper in seiner ITB-Eröffnungsrede auch auf Südafrika ein. Unter starkem Applaus des Publikums sagt er, „daß es der Senat von Berlin bedauert, daß das Rassistenregime Südafrikas wieder die Möglichkeit bekommen hat, seine Sicht der Dinge auf der ITB Berlin selbst darstellen zu können. So wie öffentlicher Druck dazu geführt hat, daß Nelson Mandela frei gekommen ist, so wird der öffentliche Druck auch dazu führen, daß das Rassistenregime seine Sicht Südafrikas nicht unwidersprochen darstellen kann.“

Nini Kraats von der Anti-Apartheid-Koordination will sich nun bei Innensenator Pätzold beschweren „wegen der schlechten Zusammenarbeit mit der Polizei und wegen ihres massiven Einsatzes in der Südafrika-Halle.“

„Wir können es nicht zusammenbringen“, so Nini Kraats, „daß der Regierende Bürgermeister mit uns in der Menschenkette demonstriert und anschließend die Polizei so brutal wie seit Jahren nicht vorgeht.“

Günter Ermlich