„Fuck“ - ein Fluch auf die Männerwelt

■ Die meisten Stripperinnen, die in der New Yorker Animierbar „Honey buns“ arbeiten, wollen aussteigen. Sie hegen den alten Traum, der im Milieu verbreitet ist: Der Millionär, der sie erlöst. Doch die Kohle, 200 Dollar pro Nacht, stimmt. Also machen sie weiter.

I'm looking for a fucking millionaire, who will take me out of this fucking place.“ Katty ist gar nicht begeistert von der Go-Go-Bar, in der sie arbeitet. Ganz im Gegensatz zu Anna, die in dem Film Überleben in New York dem Regisseur Rosa von Praunheim und dem Publikum ganz überzeugt erzählt: „Mit dem Ausziehen hatte ich keine Probleme. Ich bin auch früher oft nackt rumgelaufen, Nacktbaden und so. Nicht ich erniedrige mich vor den Männern, sondern wenn überhaupt, dann die vor mir.“

Katty empfindet das anders: „Ich hasse die Scheißkerle, die nur an meinem Körper interessiert sind.“ Sie und weitere zehn bis fünfzehn „girls“ arbeiten als Stripperinnen in dem Animierschuppen „Honey Buns“ im Herzen Manhattans. „Buns“ werden in der amerikanischen Umgangssprache die Pobacken genannt.

Der Arbeitsplatz ist das letzte

Katty und ihre Kolleginnen arbeiten von 20 bis 4 Uhr früh. Viele kommen schon um halb acht, damit sie sich beim Umziehen nicht gegenseitig auf die Füße treten. Ihr Umkleideraum ist ein Kabuff im Keller der Bar, etwa acht Quadratmeter groß, ohne Fenster und ohne verschließbare Tür. Sogar die Toilette befindet sich noch im Raum; sie ist nur durch eine Holzwand abgetrennt. An der Wand hängt ein Plakat: „Mädels, bitte haltet den Raum so sauber wie möglich und laßt kein Essen hier rumliegen.“ Ein weiteres hängt im Gang; es fordert die „Mädchen“ auf, all das mit nach oben zu nehmen, was sie die Nacht über brauchen. Diejenigen, die zu spät kommen, müssen sich hier zwischen Wasserrohren, elektrischen Leitungen und dem Stromzähler umziehen. Die meisten sind schon vor dem Aufruf des Managers „Girls, it's showtime“ oben; den Rest der Truppe scheucht er zehn Minuten nach Showbeginn die enge Holztreppe zu ihrem Arbeitsplatz hinauf.

Steve und Jessi arbeiten von Montag- bis Freitagnacht, am Samstag sind Bob und Bill für das Geschäft verantwortlich, und am Sonntag ist der Laden zu. Sie teilen die „girls“ ein, das heißt sie entscheiden, wer wann auf welcher Bühne tanzt, passen auf, daß es keinen Ärger gibt und achten darauf, daß jeder potentielle Geldgeber auch ein „girl“ neben sich zu sitzen hat. Denn Katty tanzt nicht nur. Während der Zeit, in der sie nicht auf der Bühne ist, muß sie sich zu einem der Gäste setzen und ihn unterhalten. Dabei soll sie ihn animieren, sie zu einem Drink einzuladen. Von den 30 Dollar, die ihr Getränk kostet, bekommt sie sechs Dollar. Weitere sechs Dollar erhält die Bedienung.

„Ist der Mann witzig und amüsant, rede ich ganz gerne mit ihm.“ Mit einigen Männern unterhält sich Katty ganz gerne. Es kommen viele Geschäftsleute in die Bar, die auch ab und zu von ihrem „business“ reden; das sei dann einmal etwas anderes als das ewige „Woher kommst du?“, „Was machst du in New York?“, „Gefällt dir Manhattan?“. Manche Männer fragt sie auch schon mal, warum sie so einen Schuppen aufsuchen. Die Antworten ähneln sich: Sie seien fremd in der Stadt, würden niemanden kennen und wüßten nicht, was sie alleine anfangen sollten. Während sie einsam und verlassen durch Manhatten streunen, entdecken sie durch Zufall die Bar; oder einer der beiden Zettelverteiler der „Honey Buns“ drückt ihnen eine Einladung in die Hand.

Nach 20 Minuten taucht die Bedienung wieder auf und bittet den Gast, die „Lady“ zu einem weiteren Drink einzuladen, sonst müsse ihn die leider verlassen. Ist er abgeneigt, aber zeigt trotzdem noch Interesse, wird ihm auch schon einmal ein Küßchen gegeben, oder er darf den Arm um seine Tischpartnerin legen. Läßt er sich nicht mehr überreden, verläßt Katty ihn, um zu einem anderen Kunden zu gehen oder auf die Bühne.

Girls, it's showtime

Zuerst tanzt sie auf der „frontstage“. Die ist genau gegenüber der Bar und der Eingangstür. Wer hereinkommt, sieht zuerst eine nackte Frau. Die Musik ist nicht sehr erotisch, sie regt noch nicht einmal zum Tanzen an. Die Bühne ist vier Meter lang und zwei Meter breit, dahinter ist ein Spiegel. Auf der Bühne ist eine Eisenstange, an der sich die Tänzerin festhalten kann und, wenn sie begabt ist, einige Kunststücke macht. Bis auf die hochhackigen Schuhe zieht die Stripperin nach und nach alles aus. Das geht oft ziemlich schnell, denn die Männer, die an der Bar sitzen, sind nicht an einer guten Show interessiert, sondern nur an der nackten Frau. Schließlich sind sie in einer „Nacktbar“, das heißt daß sich die Stripperinnen alles ausziehen.

Die Mädchen sind ganz unterschiedlich angezogen. Manche haben ein Kleid an, andere nur einen Bikini, Strapse werden kaum getragen; wie gesagt, auf die Schale kommt es nicht an. Die „Honey Buns„-Bar kann sich nicht mit dem Pariser „Moulin Rouge“ vergleichen; die Stripperinnen sind keine ausgebildeten Tänzerinnen, der Cancan ist ihnen fremd, so wie der Glamour, der ihre Kolleginnen in Europa umgibt.

Auf der „frontstage“ bekommt Katty nicht so viele „tips“ Trinkgeld -, deshalb tanzt sie lieber auf der Hauptbühne im hinteren Teil der Bar. Hier sitzen die Männer direkt vor der Bühne. Besonders viele Dollarnoten stecken sie den Tänzerinnen zu, die ihnen großzügige Einblicke gewähren.

Geld regiert die Welt

„Es ist oft eklig, aber ich brauche das Geld.“ Money keeps the world go round. Katty bekommt 64 Dollar Pauschale für ihre Auftritte, dazu kommt die Provision von den Drinks und das Trinkgeld, das die Gäste ihr per Eindollarnoten auf die Bühne reichen oder ihr in den Slip stecken, solange sie ihn noch anhat. Wenn sie Glück hat, spendiert ihr einer der Gäste eine Flasche Wein. Er bezahlt dafür 180 bis 300 Dollar, je nachdem wie lange er sie beanspruchen will. Sie muß ihm dafür in ein zur Bar hin offenes Separee folgen und entweder für ihn privat tanzen oder nur mit ihm reden, je nach Wunsch. Die Männer sind meistens nicht nur zu harmlosen Plaudereien aufgelegt, sie wollen Sex, der offiziell in der Bar nicht erlaubt ist. Einige der Mädchen verabreden sich dann eben mit dem Gast auf ein privates Stelldichein. Paula, eine der drei schwarzen Frauen, die hier arbeiten, hatte neulich erst eine Abtreibung. „Dieser Scheißkerl von Doktor zeigte mir nach dem Eingriff das Baby.“ Das Wort „fuck“ wird hier zu einem Fluch auf die Männerwelt. Auch Paula träumt von dem Millionär, der sie eines Tages aus dem ganzen „fuck“ herausholt.

Sie ist jetzt 25 Jahre alt und arbeitet seit vier Monaten in der „Honey Buns“. Davor war sie „dancer“ im „Kit-Kat“, dort gefiel es ihr aber nicht so gut; die Männer waren unfreundlich und zudem bekam sie nur zehn Prozent von den Drinks. Pam ist 29 Jahre alt und überzeugt, daß man ihr ihr Alter nicht ansieht; in Wirklichkeit sieht sie zehn Jahre älter aus. Sie will so lange weitermachen, wie es geht, und hat noch keine genaueren Vorstellungen über ihre Zukunft. Sie nimmt zwischendurch immer wieder mal Aufputschmittel, um wach zu bleiben. Pam arbeitet vier bis fünf Nächte in der Woche. Die Nacht von Samstag auf Sonntag ist die schlimmste Arbeitsnacht für sie; da kommen nämlich die „bachelors“, die mit ihren Freunden kurz vor ihrer Hochzeit noch einmal so richtig auf die Pauke hauen. Sie kann mit diesen jungen Kerlen nichts anfangen und hat selten einen Freier; so ist sie die meiste Zeit auf der Bühne. Doch auch dort hat sie bei den jungen Männern mit ihrem bereits verbrauchten Körper nicht so viel Erfolg. „Samstag ist für mich wirklich ein schlechter Tag, aber die anderen Nächte sind gut.“

Meine Füße brennen wie Feuer

Barbara hat eigentlich immer Erfolg und deshalb ärgert es sie besonders, daß sie nicht mehr tanzen darf. Sie wurde beim Sex mit einem Kunden erwischt und dafür mit Auftrittsverbot bestraft. Das hat sie schwer getroffen, denn sie macht auf der Bühne pro Nacht im Schnitt 80 bis 100 Dollar. Für jede Flasche, die sie mit einem Kunden im Separee trinkt, bekommt sie 40 bis 60 Dollar. Die Frauen kommen also pro Nacht mit allem drum und dran auf 150 bis 200 Dollar. Das ist soviel, wie eine Verkäuferin in einer Woche verdient.

Katty gibt das Geld einfach aus; sie hat eine teure Wohnung in Manhattan. Paula ist verheiratet, „und mein Scheißehemann verbraucht das meiste“. Ani studiert Architektur und verdient sich ihr Studium. Sie möchte nicht allzu lange hier arbeiten, der Zigarettenrauch macht ihr zu schaffen. Die Bar wird kaum gelüftet; acht Stunden lang muß sie diese rauchgeschwängerte Luft einatmen und sich dabei noch körperlich verausgaben. Nicht nur der Rauch stört sie, sondern auch, daß sie gezwungen ist, ihre hochhackigen Schuhe zum Tanzen anzulassen. „Um vier Uhr in der Frühe brennen meine Füße wie Feuer.“

Um vier Uhr ist Feierabend - besser: Feiermorgen. Das Gerangel im Umkleideraum beginnt von neuem, nur sind jetzt alle müde. „Die Japaner sind die schlimmsten. Die denken, sie können alles kaufen. Sie kommen rein, die meisten sprechen kaum Englisch, und sobald du dich neben sie gesetzt hast, beginnen sie dich zu betatschen.“

„Bye-bye, sleep well!“ sind die Abschlußworte für den Rest der Nacht. Die „cabs“ (Taxen) warten schon vor der Tür.

Susanne Diringer