„Deutschland gleich behandeln“

Abrüstungsexperte Lamers (CDU) fordert Weichenstellung für Europäische Verteidigungsunion  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die sicherheitspolitische Einbettung des künftig wiedervereinigten Deutschlands kann nicht von einer US -geführten Nato geleistet werden, sondern vorrangig durch den Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion. Diese Ansicht vertritt der Abrüstungsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Karl Lamers, in einer gestern vorgelegten Studie. Lamers bezeichnete die bisherigen Vorstellungen der Bundesregierung über eine gesamtdeutsche Nato-Mitgliedschaft zugleich als „ziemlich vage“ und forderte „umgehende Weichenstellungen“ für die militärische Zusammenarbeit der EG-Staaten.

Die sicherheitspolitischen Entscheidungen bei den Wiener Verhandlungen und bei den anstehenden Sechser-Konferenzen über die deutsche Einheit müßten sich an der „europäischen Option“ orientieren, verlangt der CDU-Politiker. Das heißt: „Ohne Deutschland kann es keine eigenständige europäische Verteidigung geben. Die Behandlung Deutschlands, gerade auch im sensiblen Bereich des Militärischen, muß gleich sein.“

Lamers: „Wenn alle nur darauf starren, wie Deutschland eingebunden werden kann, könnte den Deutschen psychologisch ein Sonderweg geradezu angeraten werden.“ Mit dem Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion sollten jene EG -Staaten beginnen, die Truppen in der Bundesrepublik stationiert haben. Lamers stellt sich als ersten Schritt gemeinsame „grenzüberschreitende Truppenkörper“ von Deutschen mit Belgiern, Briten, Niederländern und vor allem Franzosen vor - quasi eine Weiterentwicklung der schon bestehenden deutsch-französischen Brigade. Um diese Option nicht zu verbauen, müßte bei den Wiener Verhandlungen der Verbleib dieser - wenn auch verminderten - Truppen gesichert werden. Lamers: „Ohne die Perspektive eines derartigen europäischen Status‘ ist die Präsenz dieser Truppen in einem wiedervereinigten Deutschland auf Dauer schwer zu rechtfertigen.“ Zur Gleichbehandlung Deutschlands gehöre dann „natürlich ebenso das Recht zur Stationierung deutscher Einheiten als Teil einer gemeinsamen europäischen Verteidigung bei den westeuropäischen Nachbarn“. „Wir müssen ganz normal behandelt werden. Warum sollten nicht deutsche Soldaten in Frankreich sein, wenn französische hier sind?“

Der europäische Militärverbund sei zugleich das „denkbar weitestgehende Mittel“, um eine Übermacht Deutschlands auszuschließen. Die Nato müsse umgewandelt werden in ein Bündnis zwischen den gleichberechtigten Kräften Europa und USA.

Die militärischen Vorkehrungen des europäischen Militärverbunds um die Kernländer Deutschland und Frankreich werden nach Darstellung des CDU-Politikers künftig stärker „von der Nord-Süd-Problematik geprägt“ sein, wofür er als Beispiel den „Unruheherd“ des Nahen Ostens nennt.