Proteste gegen §218-Klage

Die baden-württembergische Landesregierung entscheidet heute, ob sie sich der bayerischen Verfassungsklage anschließt / Kritik vom Deutschen Ärztinnenbund / Grüne rufen zu landesweiter Demo am 16.Juni in Bonn auf  ■  Von Ulrike Helwerth

Berlin (taz) - Der Deutsche Ärztinnenbund und die Grünen haben vor einer Verschärfung des Paragraph218 gewarnt. Ihr Protest richtet sich gegen die Normenkontrollklage, die die bayerische Staatsregierung Ende letzter Woche beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat. Die baden -württembergische Landesregierung will heute entscheiden, ob sie sich der Klage anschließt.

Auf Antrag Bayerns muß das höchste Gericht in Karlsruhe jetzt prüfen, ob Schwangerschaftsabbrüche nach der Notlagenindikation und deren Finanzierung durch die Krankenkassen gegen das Grundgesetz verstoßen. Im einzelnen richtet sich die Klage gegen Paragraph 218b und Paragraph 219, in denen die Strafvorschriften für Abbrüche festgelegt sind.

Die bayerische Staatsregierung ist der Meinung, daß diese Strafvorschriften dem Verfassungsgebot zum Schutz des ungeborenen Lebens nicht entsprechen. Dem Gesetz fehlten vor allem eine Präzisierung der „Notlage“, eine Verpflichtung zur Beratung zugunsten des werdenden Lebens, ein zeitlicher Vorrang der Beratung und eine räumliche Trennung von Beratung und Indikationsfeststellung. Die bayerische Klage stützt sich auf die Behauptung, daß die geltenden Abtreibungsbestimmungen de facto auf eine „Fristenlösung“ hinausliefen, die vom Bundesverfassungsgericht 1975 aber ausdrücklich für verfassungswidrig erklärt wurde. Bayerns Hauptargument: Von den 200.000 bis 300.000 geschätzten Abtreibungen pro Jahr in der BRD stützten sich 87 Prozent auf die Notlagenindikation. So groß könne die soziale Not in einem Land mit so vorbildlichem sozialen Netz aber nicht sein.

Um die jetzt angestrengte Verfassungsklage gibt es seit Jahren ein Tauziehen. Von rigorosen „LebensschützerInnen“ wurde sie in den vergangenen Jahren immer wieder erpresserisch in die Debatte um das Beratungsgesetz und die Krankenkassenfinanzierung von Notlagenindikationen eingebracht. Als Vorreiterin für eine solche Verfassungsklage war zunächst die baden-württembergische Landesregierung im Gespräch, später auch Rheinland-Pfalz. Beide CDU-Länder zogen aber zurück. Die Bonner Koalition konnte sich bis heute nicht auf ein Beratungsgesetz einigen, und die Krankenkassen sind weiterhin verpflichtet, Abtreibungen auf Notlagen hin zu finanzieren. Bereits vor Jahren wurde eine Verfassungsklage gegen die Krankenkassenfinanzierung zurückgewiesen. Dennoch oder gerade deswegen hat die bayerische Staatsregierung jetzt ihre Normenkontrollklage erhoben. Streibl selbst gab vor einem Jahr dazu den Anstoß. Auf dem CSU-Parteitag im November 1989 wurde sie angekündigt, Rechtsprofessor Udo Steiner von der Universität Regensburg übernahm das Rechtsgutachten.

Die Grünen haben jetzt zu einer bundesweiten Demonstration am 16.Juni in Bonn aufgerufen mit der Forderung nach einer ersatzlosen Streichung des Paragraphen 218.