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■ Sechs Berliner Rockgruppen am Sonnabend in der Werner-Seelenbinder-Halle

Das letzte der vom „Kulturladen Berlin“ für die Seelenbinder -Halle angekündigten zwölf Konzerte ließ mich doch neugierig werden, und so spendierte ich mir die zwanzig Mark, um Musik diesseits der Mainstream-Ereignisse zu erleben. Drei Ost und drei Westberliner Rockgruppen der „independent scene“ waren für Berlin in Concert angekündigt, und ca. 3000 Leute kamen in die damit reichlich halbvolle Halle, um das zu erleben.

Gitarren dominierten bei den ersten beiden Bands. The Fate (Ost) spielten freundlich-straight, mit Spaß dabei; Die Stricher (West) unverbindlich hart, klagend-fragend betextet: „tanzt du auf meiner Seele... Ich könnte sterben für dich“ - ich nicht. Das Publikum reagierte entsprechend der Gruppendynamik mit interessierter Neugier an dem Fate und höflicher Langweile bei dem Strichern.

Dann Big Savod and the Deep Manko (Ost), die mit Akkordeon und Saxophon melancholische, doch kraftvolle Farben auf die schwarz ausgeschlagene Bühne brachten. Ihre „Tanzmusik“ wurde dankbar angenommen, auch die naiven Texte in Meißner Oberschulenglisch störten da nicht.

Die Testbild Testers, eine Westberliner Ska'n'dal-Band, verbreitete mit ihren herrlich schiefen Bläsersätzen Wochenendparty-Stimmung. Die zwölf Herren, zwei Damen und vier „tanzenden Nachtigallen“ tranken dem Publikum nicht nur das an den Imbiss-Ständen der Halle nicht zu bekommende Bier vor, sondern brachten es mit ihrer Musik trotz des strengen Zeitplans zu zwei Zugaben. Auf der Kippe zwischen Parodie und Super-Cover balancierten ihre Oldie-Versionen von AC/DC bis Garry Glitter. Und: Mensch muß es gesehen haben. Test the Testers!

Die schon seit November glücklich wieder-vereinigten Herbst in Peking (Ost?) präsentierten den ersten Titel ihrer „russian dance musik“ mit Egon als Vortänzer, der seine Inspiration angeblich aus der Kenntnis der Geschichte des Konflikts von HiP mit dem „Kulturkastrator, der jetzt Oberbürgermeister geworden ist“, bezog. Das Publikum lauschte der Parade der Band, „wir spielen Popmusik (but) we need a revolution“, in nostalgischer Andacht und erwachte erst richtig bei der skeptischen Internationale der „Bakschisch-Republik“. Ein sauberes Wunschkonzert.

Ab Mitternacht gings dann nochmal geradeaus, fast bis zur Pogo-Party mit den visionären Gitarren von Plan B (West). Ein Auftritt mit klarer Rockmusik der besten Sorte: „this is not a movie, this is reality“, an dem nur der Bühnennebel überflüssig war. Als bei der ersten Zugabe um 1 Uhr dann der amtierende Ober-Seelenbinder das gemütliche Neonlicht anschaltete, beschloß ich, den Abend doch lieber im „Cafe ZK“ zu beenden.

Wer's genauer wissen will, der höre sich den Mitschnitt das abends am 10.3. ab 01.00 Uhr auf Radio 100 an.

Klara Kern