Wenn auch gutgemeint - diese Deklarationen bleiben nur Wünsche

■ Zum Medienbeschluß der Volkskammer (Teil 2) / Dem „Recht auf wahrhaftige, vielfältige und ausgewogene Information“ fehlen konkrete Vorgaben

Die Volkskammer hat über Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit beschlossen und den Bürgern das „Recht auf wahrhaftige, vielfältige und ausgewogene Information durch die Massenmedien“ versprochen. Das klingt gut und läßt auch hoffen.

Aber nur scheinbar ist die Frage geklärt, wie Journalisten zu jenen Informationen kommen sollen. Zwar ist festgelegt, daß Mitarbeiter der Medien das Recht haben, im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit alle ihnen als notwendig erscheinenden Informationen einzuholen, doch sind die Quellen der Informationen nur vage beschrieben. Verpflichtet sind alle staatlichen Organe, Betriebe, Genossenschaften sowie politischen Parteien und Organisationen, den Medien alle Auskünfte zu erteilen, die - wie es heißt - für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben und eine wahrheitsgetreue Information erforderlich sind.

Damit sind die Akteure in Politik und Wirtschaft nur zur Reaktion verpflichtet, haben nur auf Fragen und Anfragen der Journalisten Informationen zu liefern. Praktisch bedeutet das, der Wirtschaftskapitän, der ja zugleich auch Umweltverschmutzer sein könnte, oder gar Waffenschieber, wäre so lange von der Öffentlichkeit unbehelligt, bis er als solcher erwischt würde. Natürlich von jenem Journalisten, den wir schon aus diversen Filmproduktionen kennen: der als einer gegen alle anderen kämpft, um die schmutzigen Praktiken der mächtigen ans Licht zu zerren.

Aber wie viele von diesem Typ gibt es bei uns? Die den Verantwortlichen in Politik und Ökonomie zugestandene Passivität weist den Medien eine Rolle zu, die sie nicht beherrschen können: Wächter zu sein über all jene komplizierten, komplexer werdenden Prozesse, die die Vielfalt einer modernen Industrie- und Kulturgesellschaft ausmachen.

Und selbst wenn es den Journalisten gelingen würde, eine alle relevanten Bereiche und Entwicklungen abdeckende Problemsicht zu entwickeln und die notwendigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt dem richtigen Partner zu stellen, bleibt der Haken: Wer entscheidet, ob die eingeforderten Informationen zu jenen gehören, die notwendig sind, damit Medien ihre Aufgaben erfüllen?

Es bliebe also nicht nur das im Dunkeln, wonach Journalisten nicht fragen, sondern auch das, was - durch wen auch immer - als nicht relevant für die Erfüllung des Medienauftrages eingestuft wird. Schuldig sind in jedem Falle die Journalisten. Sie - nicht die Verantwortlichen haben die Bürger zu informieren.

Das Problem ergibt sich aus der Dehnbarkeit des Medienbeschlusses: Da nicht definiert ist, was unter öffentlicher Aufgabe der Medien zu verstehen ist, bleibt das Maß der zur Erfüllung dieses Auftrages notwendigen Informationen unbestimmbar.

Doch nicht allein das. Dem Bürgerrecht auf Information ist nicht allein durch die Regelung der Beziehung zwischen Medien und Öffentlichkeit zu entsprechen. Notwendig ist die Verpflichtung der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger, ständig, umfassend und wahrheitsgetreu

-also nicht erst nach Anfrage - über ihr Tun zu informieren.

Dabei geht es nicht einfach um werbende Selbstdarstellung. Politisches Handeln muß durchschaubar sein. Die Überlegungen dazu, die komplizierter werdenden Bedingungsgefüge, die vorhersehbaren Folgen müssen kenntlich gemacht werden. Eine solche Informationsgebung muß Pflicht aller Regierungen und Ämter, der Bezirks- oder Länderparlamente, der Parteien, Vereinigungen, Wirtschaftsunternehmen - aller Institutionen, deren Handeln oder Nichthandeln in das Leben der Bürger eingreift - sein.

Die Entscheidung darüber, ob diese oder jene Information für eine wahrheitsgemäße Information notwendig ist, liegt dann bei den Journalisten selbst. Nur logisch wäre es, dem Ausgewogenheitsgebot zu entsprechen, indem man den Journalisten die Pflicht auferlegt, alle Nachrichtenquellen auszuschöpfen.

Der Staat wäre in diesem Zusammenhang nicht nur als Informant gefordert. Eine umfassende, qualifizierte und aktive Öffentlichkeitsarbeit der Macher in Politik und Wirtschaft verlangt einen ebenso qualifizierten Widerpart, einen gut ausgebildeten, fachlich kompetenten Journalisten, deren Ausbildung vom Staat gesichert werden muß.

Die Medien waren nicht allein Träger vergangener Undemokratie. Sie wirkten in einem Gefüge, abhängig von vielen Bestandteilen der Gesellschaft. Will man die Medien demokratisieren, muß das gesamte Bedingungsgefüge Gegenstand der Reform sein. Der Volkskammerbeschluß trägt dem nicht Rechnung, darum bleiben Deklarationen eben nur Wünsche.

Claus Frank